Wien – Das Verhältnis zwischen Afrika und Europa, komprimiert erklärt in nicht einmal vier Minuten: Fernsehinterviews müssen nicht zwingend in epischer Länge geführt werden, um zum Erkenntnisgewinn beizutragen. Zumindest betrifft das regionale Konflikte mit geopolitischer Bedeutung. Das bewies am Mittwoch einmal mehr die "ZiB 3", wo Christiane Wassertheurer mit Ulf Laessing, dem Leiter des Regionalprogramms Sahel bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, im Zuge des EU-Asylpakts sprach.

Ulf Laessing von der von der Konrad-Adenauer-Stiftung war zu Gast in der
Ulf Laessing von der von der Konrad-Adenauer-Stiftung war zu Gast in der "ZiB 3" bei Christiane Wassertheurer.
Screenshot/ORFTvThek

Wie ist die Lage? Die Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika sei derzeit "nicht schlecht". Europa sei der größte Entwicklungszusammenarbeitsgeber, aber: "Afrika nimmt ungern abgelehnte Asylbewerber zurück, weil die eben auch Geld nach Hause schicken, und das ist ein großer Wirtschaftsfaktor", so Laessing.

"Mehr Migration auf der Mittelmeerroute"

In der Sahelzone, der Region südlich der Sahara, habe in vielen Ländern das Militär das Sagen, führt Moderatorin Wassertheurer aus und fragt Laessing nach den Auswirkungen auf die Migrationsbewegungen. Die Haupttransitroute von Subsahara-Afrika nach Libyen, wo die Boote Richtung Europa abfahren, gehe durch den Niger. Die dortige Militärregierung habe die Route wieder aufgemacht, erklärt Laessing, und sie habe sich von Europa abgewandt, weil sie mit Russland zusammenarbeite. Die Konsequenz? "Es wird mehr Migration auf der Mittelmeerroute geben."

Warum habe der Niger den Europäern den Rücken zugewandt? Die Europäer, allen voran Frankreich, hätten abgewartet, was dazu geführt habe, dass die Russen eine Partnerschaft mit dem Niger abschlossen, so Laessing. Dass Russland Migrantinnen und Migranten als "Waffe" einsetze, um Europa zu destabilisieren, könne man zwar nicht beweisen, der Schluss liege aber nahe, denn: "Niger hat die Migrationsroute am gleichen Tag aufgemacht, als es ein Abkommen mit Russland geschlossen hat, um die militärische Zusammenarbeit auszuweiten."

"Macht keinen Sinn, Militärregierungen zu boykottieren"

Für Europa sei es wahrscheinlich zu spät, sich noch die Gunst des Niger zu sichern, aber: "Wir müssen mit Niger den Dialog suchen." Laessing sieht es pragmatisch: "Es macht einfach keinen Sinn, Militärregierungen zu boykottieren. Wir brauchen die als Partner." Die umkämpfte Sahelzone, wo China, Russland und der Iran weiter an Einfluss gewinnen wollen und wo sich immer mehr Jihadisten sowie Armut breitmachen, sei eine "Katastrophe". Hier gebe es das weltweit größte Bevölkerungswachstum, und "die Staaten lösen sich auf". Auf der anderen Seite habe die Region aber eine enorme geopolitische Bedeutung, weil die Menschen von Süden nach Norden durchziehen. "Die Aussichten sind leider sehr trüb."

Der EU rät er generell zu mehr Pragmatismus statt Idealismus, zudem sollte die seit dem Putsch im Sommer des vergangenen Jahres ausgesetzte Entwicklungszusammenarbeit wieder in Gang gesetzt werden. Das lindere die Armut und bringe weniger Migration. Während die EU mit der Militärregierung im Tschad zusammenarbeite, mache sie das mit jener im Niger nicht, konstatiert er. "Wir müssen die neuen Realitäten akzeptieren." Weitreichende Worte, gelassen ausgesprochen. (Oliver Mark, 11.4.2024)