Wenn sich ein Kurs innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt, innerhalb von 16 Monaten sogar vervierfacht, klingt das schnell einmal nach Betrug. Oder nach einer gewaltigen Blase. Doch beim Bitcoin läuft das irgendwie anders, die vermeintliche Blase ist bereits mehrmals geplatzt – stets mit massiven Verlusten –, doch immer wieder kam die Königinmutter aller Kryptowährungen strahlend zurück.

Rund um die 70.000-Dollar-Marke pendelt der Preis für einen Bitcoin seit Wochen, doch es liegt eine angespannte Erwartungshaltung in der Luft. Über neue Rekorde jenseits der 100.000 Dollar wird fantasiert. Ende kommender Woche findet zum vierten Mal das sogenannte Bitcoin-Halving statt – ein Ereignis, das in der Vergangenheit stets neue Höhenflüge nach sich zog.

Beim alle vier Jahre stattfindenden Halving wird das Neuangebot an Bitcoin-Token halbiert. Manche Marktbeobachter sehen das als Rückenwind für den Aufschwung. Experten warnen zugleich immer wieder vor deutlichen Kursschwankungen der Kryptowährung.
AFP/OZAN KOSE

Was passiert bei diesem Halving? So viel vorab: Der Bitcoin-Preis wird nicht halbiert, auch wenn es im Netz dergleichen zu lesen gibt. Vereinfacht kann man sagen: Pro Tag entstehen nur noch halb so viele Bitcoins wie bisher. Momentan sind es etwa 900, ab Ende nächster Woche nur noch 450.

Einträge im digitalen Logbuch

Diese Reduktion ist kein Zufall, sie ist programmiert. Bitcoins werden mit großem Energieaufwand erzeugt, das nennt sich Schürfen oder Mining. Schürfer lassen ihre Computer um die Wette komplexe mathematische Rätsel lösen. Wer das als Erster schafft, darf einen neuen Block zur Blockchain hinzufügen, das passiert in etwa alle zehn Minuten. "Tick, tock, next block", lautet ein Sprichwort in der Kryptoszene. Als Belohnung für das Hinzufügen eines Blocks, in dem Transaktionen gespeichert sind, erhalten die Miner neue Bitcoins.

Die Blockchain kann man sich – sehr vereinfacht – wie ein digitales Logbuch vorstellen. Jeder Eintrag darin entspricht einem Block, und alle Blöcke sind miteinander verbunden, so wie die Seiten in einem Logbuch.

Belohnung wird halbiert

Beim Halving, das rund alle vier Jahre stattfindet, wird diese Belohnung halbiert. Das heißt, die Miner bekommen weniger neue Bitcoins, wodurch auch weniger neue Coins in Umlauf kommen. Anders als bei herkömmlichen Währungen ist die Geldpolitik hier seit Anfang an klar festgelegt. Dieser Mechanismus dient als Inflationsschutz, die geplante Verknappung soll davor schützen, dass unendlich viele neue Coins auf den Markt kommen.

Zu Beginn gab es 50 Bitcoins pro Block, dann folgten drei Halvings, und es ging runter auf 25, dann 12,5. Im Mai 2020 wurde auf 6,25 halbiert. Im nächsten Schritt gibt es nur noch 3,125 Bitcoins. Aktuellen Schätzungen zufolge dürfte der letzte von 21 Millionen Bitcoins, die es geben wird, im Jahr 2140 geschürft sein.

Rekorde nach dem Halving

In der Vergangenheit resultierte das Halving mit etwas Verzögerung stets in einem neuen Kursrekord. Wird es auch dieses Mal wieder so sein? Handfeste Prognosen sind schwer anzustellen, zu viele Faktoren beeinflussen die Entwicklung. Innerhalb der Szene herrscht ebenfalls Uneinigkeit, wie es weitergehen soll. Der Mitgründer der Handelsplattform BitMEX, Arthur Hayes, meint, der Preis werde mittelfristig anziehen. Wegen des hohen Verkaufsdrucks rund um das Halving könnte er kurz davor und danach aber einbrechen. Mutmaßungen und Berechnungen gibt es jedenfalls viele. Man findet Prognosen, die von der 150.000-Dollar-Marke sprechen, andere Szenarien, die Bitcoins wieder in die Bedeutungslosigkeit sinken lassen.

Unabhängig von möglichen kurzfristigen Preisschocks ist die dezentrale Währung offiziell im Mainstream angekommen. Das hieß es zwar schon öfter, doch dieses Mal sind die Rahmenbedingungen andere. Das sieht auch Lukas Enzersdorfer-Konrad so. Er ist Geschäftsführer von Bitpanda, einer der größten Krypto-Handelsplattformen Europas: "Trotz der immer noch recht trägen gesamtwirtschaftlichen Lage sehen wir seit Jänner erhebliche institutionelle Zuflüsse. Das signalisiert ein starkes Vertrauen in die Stabilität und das Wachstumspotenzial von Bitcoins und anderen Kryptowährungen." Regelmäßige Preiskorrekturen seien in jeder Anlageklasse normal.

Tatsächlich sind Milliarden Dollar von institutionellen Investoren seit Jahresanfang in den Markt geflossen, allerdings nicht weil die ihre Risikofreude entdeckt haben. Sondern weil die US-Börsenaufsicht SEC im Jänner die ersten Bitcoin-ETFs genehmigt hat, die es ermöglichen, an US-Börsen direkt in die älteste Cyberdevise zu investieren.

Angst vor Volatilität

Diese ETFs sind vergleichbar mit Goldzertifikaten und vereinfachen den Zugang zu Bitcoins massiv – die Handhabe läuft plötzlich wie bei Aktien oder Anleihen. Und weil immer mehr institutionelles Kapital in die Branche fließt, erwarten viele Finanzexperten, dass die Volatilität langfristig abnimmt. Dass Kurse schnell einbrechen können, schürt nach wie vor große Vorbehalte in der breiten Masse – ebenso wie der Umstand, dass man Bitcoins nicht in die Hand nehmen kann. Zwar gilt das Krypto-Aushängeschild als digitales Gold, weil es viele ähnliche Eigenschaften aufweist, die Knappheit oder die Dezentralität beispielsweise. Durchgesetzt hat sich dieser Ansatz bei weitem noch nicht. Gold gibt es aber auch seit Tausenden von Jahren. Bitcoins existieren erst seit 15 Jahren. (Andreas Danzer, 13.4.2024)