U-Bahn Baustelle Wien
U-Bahn-Baustelle entlang der Zweierlinien in Wien
Dominik Hauser

Eben noch war die Linie 42 eingestellt. Jetzt fährt die Straßenbahn Nummer 44 nicht mehr, der 43er nur eingeschränkt. Die U2 ist teilgesperrt, die S-Bahn-Strecke zwischen Wien Meidling und Wien Floridsdorf unterbrochen. Und an der U4 wird zumindest gefühlt ohnehin immer an irgendeiner Stelle gewerkt. Kommt es nur so vor oder fallen gerade besonders viele Sanierungsarbeiten an Bim, S- und U-Bahn an?

Die Wiener Linien sprechen von einer "umfassenden Infrastruktur-Modernisierungsoffensive" für ihre Straßenbahn- und U-Bahn-Strecken im laufenden Jahr: 100 Baustellen zählt der städtische Verkehrsbetrieb für das gesamte Jahr 2024 auf. Betroffen seien davon vor allem die Gleise und Weichen im Schienennetz. Von Seiten der Wiener Linien wird betont, dass die Fahrgäste davon größtenteils "wenig bis nichts bemerken", weil die Arbeiten vorwiegend in der betriebslosen Zeit, also nachts, oder auch in der Ferienzeit anstehen. Ein Viertel der Maßnahmen hat ihnen zufolge spürbare Auswirkungen für Öffi-Fahrerinnen und -Fahrer.

Unterhalb und oberhalb der Erde

Aber dass eine Straßenbahn-Linie über Monate hinweg ausfällt: Ist das nicht eher unüblich? Vorhaben wie großflächige Gleistausche, Untergrunderneuerungen oder Tunnelträgersanierungen seien ohne eine Unterbrechung des Betriebs nicht durchzuführen. Dafür sei es "aus Gründen der Effizienz und Wirtschaftlichkeit notwendig'", Linien zu teilen, umzuleiten oder kurzzuführen. "Die komplette Einstellung einer Linie ist die absolute Ausnahme", heißt es in einer Stellungnahme der Wiener Linien.

Die Straßenbahnen mit der Nummer 43 und 44 verbinden die Wiener Innenstadt mit den beiden Außenbezirken Hernals und Ottakring. Der 44er ist bis September eingestellt, er wird zumindest teilweise durch die Linie 33 ersetzt (siehe Grafik). Der 43er wiederum fährt aktuell nur zwischen Neuwaldegg und Alser Straße. Im Baustellenbereich werden aber nicht nur Gleise ersetzt und neu verlegt. Parallel finden sowohl unter der Erde Arbeiten statt – Kanalsanierungen oder Fernwärmeanschlüsse etwa – als auch oberhalb.

Über der Erde hat gerade die Neugestaltung der Universitätsstraße zwischen Ring und Landesgerichtsstraße sowie der Alser Straße zwischen Landesgerichtsstraße und Wickenburggasse im ersten, achten und neunten Bezirk begonnen: Sie umfasst neben der Neuherstellung der Fahrbahnen die Errichtung von Radwegen und Gehsteigen sowie auch das Pflanzen von 45 Bäumen.

Neue und alte U-Bahn

Die Neugestaltung in dem Bereich geht auf ein größeres Vorhaben zurück: das Megaprojekt U-Bahn-Linie 2 und 5. Tief in der Erde wird dieser Tage noch der Abschnitt der bestehenden U2 zwischen Karlsplatz und Schottentor modernisiert und auf den Betrieb der neuen, vollautomatischen Linie U5 vorbereitet.

An der U4 hingegen wird schon länger gearbeitet. Die U4 ist die älteste U-Bahn-Linie der Stadt, Teile ihrer Infrastruktur sind mehr als 100 Jahre alt. Die grüne U-Bahn-Linie wird seit 2014 saniert. Das passiert laut Wiener Linien hauptsächlich nachts. Im Mai und im Sommer wird sie aber streckenweise gesperrt, größere Einschränkungen sind noch bis Mitte Dezember geplant.

Trotz Ausbaus der U5 ist mittelfristig keine weitere U-Bahn-Linie für die Hauptstadt geplant. Bei einer Veranstaltung Mitte April kündigte Alexandra Reinagl, Vorsitzende der Geschäftsleitung der Wiener Linien, an: "Ich setze in Zukunft auf Straßenbahnen, weil man sich fragen muss, wie umweltverträglich die U-Bahn ist. Stichwort Tiefbau und CO2."

Ihre Vision: Wien solle "die Straßenbahnhauptstadt der Welt" werden. Dafür müssten jährlich drei Prozent des Schienennetzes erneuert werden. "Das heißt", so Reinagl weiter, "die Baustellen gehen sich im Sommer nicht mehr aus. Sie werden länger und größer. Jetzt wird möglichst alles auf einmal gemacht und danach 15 Jahre nicht mehr angefasst."

Wien Straßenbahn Wiener Linien
Wien soll "Straßenbahn-Hauptstadt" der Welt werden, sagt Alexandra Reinagl, Vorsitzende der Geschäftsleitung Wiener Linien.
Wiener Linien / Zinner

Alte Schienen

20 Kilometer Straßenbahngleise werden laut Wiener Linien im Jahr 2024 und 2025 erneuert: das bedeutet 100 neue Weichen für das Straßenbahn-Netz in den kommenden beiden Jahren. Über die vergangenen Jahrzehnte ist Schienennetz der Wiener Linien durch den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel gewachsen: Neue Linien kamen hinzu, bestehende Verbindungen wurden verlängert, Intervalle wurden dichter. Für Gleise bedeutet das: mehr Belastung. Schienen sind Verschleißteile, früher oder später müssten sie ausgetauscht werden, erklärt man in der Presseabteilung der Wiener Linien.

Die Lebensdauer einer Schiene liegt demnach, je nach Belastung, zwischen zehn und 45 Jahren. Eine Weiche müsse in der Regel nach 15 Jahren getauscht werden. 120 Gleisbauexpertinnen- und experten der Wiener Linien klopfen die Instandhaltung der Infrastruktur täglich ab. Saniert werde zuerst dort, wo es der Zustand des Gleises am dringendsten erfordere oder der Nutzen für die Fahrgäste am größten sei.

Straßenbahn Wien
Gleise der Straßenbahn-Linie 43
Heribert Corn

Hauptsaison für die Gleisbaustellen ist März bis November. Heuer sollen bis Ende des Jahres 8,6 Kilometer Gleise, 53 Weichen und eine Wendeanlage erneuert werden. Außerdem werden Tunnel, Brücken, Haltestellen und Stationen modernisiert sowie elf Aufzüge und 29 Rolltreppen. Auch im kommenden Jahr stehen viele Baustellen an: Konkret geht dann um 11,1 Kilometer neue Gleise und 47 Weichen für das Straßenbahnnetz.

Schnellbahn

Auch die S-Bahn verpasst sich gerade ein "Update", wie es die ÖBB nennt: Zwischen Wien Meidling und Wien Floridsdorf wird dafür seit Herbst 2023 gewerkt. Diese Schnellbahn-Stammstrecke wurde 1962 eröffnet. Und auch sie hat laut den Österreichischen Bundesbahnen ihre Belastungsgrenze erreicht. Deshalb stehen eine Erneuerung der Schienen­infrastruktur, die Errichtung neuer Abstell- und Wendeanlagen, die Verlängerung von Bahnsteigen und die Umstellung auf die digitale S-Bahn auf dem Plan.

Arbeiten, die bei aufrechtem Bahnbetrieb nicht möglich seien, würden gebündelt abgewickelt werden. Das habe Streckensperren zur Folge, die einerseits in den Sommermonate vorgesehen sind. Andererseits aber würden sie "für die Hauptbaumaßnahmen an den Bau- und Tragwerken einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen". Die Arbeiten sollen bis Dezember 2027 anhalten. (Anna Giulia Fink, Stefanie Rachbauer, 23.4.3024)