Die USA werden das Richtige tun, nachdem sie alles andere probiert haben. Dieses Bonmot, das fälschlicherweise Winston Churchill zugeschrieben wird, beschreibt gut, was am Wochenende in Washington geschah. Die monatelange Blockade der US-Milliardenhilfe für die Ukraine durch die Republikaner hat Russland militärisch gestärkt. Mit der Freigabe des 60-Milliarden-Pakets im Repräsentantenhaus erhält die Ukraine nun eine reelle Chance, die jüngsten Rückschläge an der Front zu überwinden, die Bevölkerung und Infrastruktur vor russischen Raketenangriffen zu schützen und in diesem Sommer sogar wieder in die Offensive zu gehen.

Unterstützer der Ukraine feierten vor dem Kapitol, nachdem das Repräsentantenhaus am Samstag dem milliardenschweren Hilfspaket zugestimmt hat.
Unterstützer der Ukraine feierten vor dem Kapitol, nachdem das Repräsentantenhaus am Samstag dem milliardenschweren Hilfspaket zugestimmt hat.
EPA/JIM LO SCALZO

Der Mann der Stunde ist der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson. Er kommt aus jenem erzkonservativen Parteiflügel, der alles, was Präsident Joe Biden will, ablehnt, einschließlich der Unterstützung für die Ukraine. Aber Johnson hat zuletzt erkannt, dass ein russischer Sieg auch für die USA eine moralische und geopolitische Katastrophe wäre. Wie schon beim Beschluss für einen Bundeshaushalt, den er gegen den rechten Parteiflügel durchboxte, erwies er sich als pragmatisch und mutig. Denn die Extremisten in der Partei, allen voran die rechtsradikale Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, haben klargemacht, dass sie ihn nun wie seinen Vorgänger Kevin McCarthy stürzen wollen.

Johnson wird seinen Posten nur mit den Stimmen einiger Demokraten retten können, und das gilt in der Partei als Kollaboration mit dem Feind. Bleibt er dennoch im Amt, wäre dies eine Stärkung der politischen Mitte, die von vielen schon totgesagt worden ist.

Biden feiert, Trump schweigt

Für Biden ist die Freigabe der Milliardenpakete für die Ukraine, Israel und Taiwan jedenfalls ein politischer Erfolg, den er zu Recht feiert. Eine weniger glückliche Figur hat in der ganzen Debatte Donald Trump gemacht, der die proukrainische Politik Bidens stets attackiert hat, aber zuletzt recht still geblieben ist.

Offenbar zeigt der kommende Wahlkampf gegen Biden, in dem Trump auch unabhängige Wähler ansprechen muss, bereits seine Spuren. Wie schon beim Reizthema Abtreibung gibt er sich jetzt moderater als in seinen radikalen Vorwahlkampfreden, was aber viele an der Basis enttäuscht. Ob ihm dieser schwierige Spagat zwischen Rebell und Staatsmann in der direkten Konfrontation mit Biden gelingt oder ob er zwischen diesen beiden Stühlen durchrutscht, könnte die Wahl im November entscheiden.

EU-Staaten sind am Zug

Für Kiew ist es nun entscheidend, dass die Waffen aus den US-Arsenalen, vor allem die so knapp gewordene Artilleriemunition, jetzt rasch geliefert werden, bevor die russische Armee weitere Gebiete erobert. Aber auch die EU-Staaten müssen nun ihre Hilfe beschleunigen, allen voran Deutschland und Frankreich. Viel wurde zuletzt versprochen, aber nur wenig ist am Schlachtfeld angekommen.

Das Kriegsziel der Ukraine, ihr ganzes Staatsgebiet zurückzuerobern, wird auch dann kaum erreichbar sein, und das weiß inzwischen auch Präsident Wolodymyr Selenskyj. Nun muss auch Putin einsehen, dass er den Westen nicht spalten kann und – anders als sein UN-Botschafter nach dem US-Votum verkündete – "das unrühmliche Ende des Kiewer Regimes" nicht unausweichlich ist. Erst dann ergibt sich eine kleine Chance auf Frieden. (Eric Frey, 21.4.2024)