Demos gegen Massentourismus auf den Kanarischen Inseln.
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Auf Gran Canaria und Teneriffa versammelten sich laut Veranstalter jeweils 50.000 Menschen, 9.000 auf Lanzarote, 5.000 auf Fuerteventura, und selbst auf den kleinen Inseln wie La Gomera, La Palma oder El Hierro, die vom Massentourismus kaum betroffen sind, waren es mehrere Hundert. Die Veranstalter, ein breites Bündnis aus Umweltschutzorganisationen und Bürgerinitiativen, sprachen von "einem historischen Tag".

In Madrid, Barcelona, Palma de Mallorca und Malaga hielten die dort lebenden Kanaren Solidaritätskundgebungen ab. Allen Städten gemein ist der außer Kontrolle geratene Tourismus, der die Wohnungspreise in die Höhe schnellen ließ. Auch in London und Berlin versammelten sich Immigranten von den Kanaren, um die Proteste in ihrer Heimat zu unterstützen.

"Coalición Canaria es una imobiliaria" – die Regierungspartei auf den Kanaren sei ein Immobilienunternehmen – lautete eine der am öftesten wiederholten Parolen auf den Protestveranstaltungen. Einer der Auslöser dafür, dass sich der Unmut gerade jetzt entlud, ist die Wiederaufnahme des Baus zweier umstrittener Tourismusprojekte in landschaftlich wertvollen Küstenabschnitten auf Teneriffa. Die konservativ-regionalistische Inselregierung, die seit vergangenem Sommer im Amt ist, hat die meisten Baubeschränkungen aufgehoben. Jetzt darf auch in einst ländlichem Raum und selbst in einigen geschützten Gebieten gebaut werden. Und das, obwohl die Inseln bereits jetzt doppelt so viele Touristen aufnehmen wie noch vor 15 Jahren. Für dieses Jahr werden 17 Millionen Besucher erwartet. Die Inseln sind – dank des Klimas – das ganze Jahr über völlig überfüllt.

150 Millionen Übernachtungen

150 Millionen Übernachtungen zählt das Hotelgewerbe. Damit sind die Kanaren weltweit die Nummer ein der Tourismusziele, was Übernachtungen angeht. Paris zum Beispiel zählt rund 50 Millionen, und die beliebtesten italienischen Standregionen kommen auf gerade einmal 70 Millionen Übernachtungen im Jahr.

Dieser Massentourismus führt zu Staus, zu überfüllten Stränden, Restaurants und sonstigen Einrichtungen. Dank Langzeitvermietungen an Winterflüchtlinge aus Nord- und Mitteleuropa sind die Wohnungspreise in vielen Städten und Gemeinden auf den Inseln gestiegen. "Wo sollen wir wohnen?", fragte sich so mancher der Demonstranten auf seinem Pappschild.

Ein großes Problemfür die Bevölkerung sind auch die hohen Wohnungspreise.
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Wegen des Klimawandels sind die Kanaren immer trockener. Im Süden von Teneriffa wurde vergangenen Sommer das Wasser rationiert, während es den Touristen an nichts fehlte. Pools wurden weiter gefüllt, Golfplätze besprenkelt. Neben den Bauvorhaben sind solche Maßnahmen mit am Unmut der Bevölkerung schuld. An immer mehr Urlaubsorten werden Parolen gegen Tourismus gesprüht.

Kaum Nutzen für die Bevölkerung

In Teneriffa, der Insel, die rund ein Drittel des Tourismus auf den Kanaren aufnimmt und von den anderen Inseln als so etwas wie ein Beispiel für Entwicklung angesehen wird oder wurde, führten die Demonstranten das Bild einer Kuh mit sich: "Ich gebe keine Milch für so viele Leute", stand zu lesen. Es war die Antwort auf den Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands, der im Vorfeld der Proteste forderte, man möge "die Kuh, die Milch gibt", doch bitte in Ruhe lassen.

Die Tourismusbranche generiert 35 Prozent des BIP. Nur bei der Bevölkerung kommt wenig vom Gewinn an. Zwar stellt das Geschäft mit Strand und Sonne 40 Prozent der Arbeitsplätze, doch sind die Löhne meist sehr niedrig, Überstunden werden oft nicht bezahlt. Die Kanaren sind trotz des Besucheransturms die ärmste Region Spaniens. 36 Prozent der Bevölkerung sind von Armut bedroht oder leben in Armut. "Wir wollen Gastgeber sein und keine Sklaven", war auf einem Transparent zu lesen.

Diese Gruppe (sitzend) greift zu drastischeren Mitteln: Hungerstreik für einen Wandel im Tourismus.
REUTERS/Borja Suarez

Unter den Teilnehmern der Kundgebung in Teneriffa befanden sich sechs Aktivisten der Gruppe "Die Kanaren gehen zu Ende", die sich seit zehn Tagen im Hungerstreik befindet. Sie fordern ein Baustopp jener beiden umstrittenen Tourismusprojekte an landschaftlich wertvollen Stränden auf Teneriffa, La Tejita und Cuna del Alma. "Jetzt sind wir nicht mehr eine Handvoll Leute, sondern ein ganzes Volk, das verlangt, das das Modell überdacht und geändert wird", erklärte der Sprecher von "Die Kanaren gehen zu Ende", Victor Martín. (Reiner Wandler aus Madrid, 21.4.2024)