In Innsbruck ist gerade noch Bürgermeister-Wahlkampf, im ausgebauten Dachgeschoß des Rathauses merkt man davon aber nicht viel. Hier hat die Abteilung Gebäude- und Wohnungsregister (GWR) des Innsbrucker Magistrats ihre Büros, beziehungsweise ihr Büro, es ist eigentlich nur ein langer Schlauch, ein Schreibtisch reiht sich an den anderen, durchbrochen nur hie und da von alten Holzbalken des Dachstuhls.

Eine Änderung der Verfassung gibt den Ländern mehr Handhabe in Sachen Besteuerung des Leerstands.
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Von hier aus gehen Referatsleiter Manfred Hirsch und sein Team seit 2019 dem Innsbrucker Leerstand auf den Grund. Der gesamte Gebäudebestand der Tiroler Landeshauptstadt wird dabei "korrigiert", also der tatsächlich baurechtlich bewilligte Bestand mit Widmungen und Bescheiden bzw. Plänen abgeglichen, außerdem wird dabei das Gebäude- und Wohnungsregister (GWR) mit dem Zentralen Melderegister (ZMR) "gematcht". Dabei stoßen sie auch immer wieder auf Meldungen in Einheiten, die es baurechtlich betrachtet gar nicht gibt - weil etwa Kellerräumlichkeiten, Geschäftseinheiten, Dachböden, Hobbyräume oder Ställe zu Wohnungen ohne Baubewilligung umgebaut wurden. "Es gibt sehr viel von uns aufzuarbeiten", sagt Hirsch dem STANDARD.

Der bisher erhobene Leerstand in Innsbruck auf Grundlage von mittlerweile mehr als der Hälfte des korrigierten Bestands beläuft sich auf rund 3500 Wohneinheiten oder 8,9 Prozent. Das würde, falls sich das so auf den Boden bringen lässt, Leerstandsabgaben in Höhe mehrerer Millionen Euro für die Stadt Innsbruck bringen. Wie gesagt: falls.

Verfassungsänderung ist durch

Zuständig für die Leerstandsabgaben sind demnächst jedenfalls alleine die Länder, so wird es in Kürze im Bundes-Verfassungsgesetz stehen. Konkret wird die "Erhebung öffentlicher Abgaben zum Zweck der Vermeidung der Nicht- oder Mindernutzung von Wohnraum" gerade per Verfassungsänderung in die Zuständigkeit der Länder übertragen. Nach der Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat in der vergangenen Woche hat am Mittwoch auch der Bundesrat der Änderung zugestimmt.

Der Spielraum für die Länder wird dadurch also viel größer; sie können nun auch der Höhe nach aus dem Vollen schöpfen. Wegen eines Verfassungsgerichtshofs-Entscheids aus den 1980er-Jahren waren sie hier bisher eingeschränkt. Das erwähnte Urteil betraf eine Leerstandsabgabe in Wien, sie wurde damals aufgehoben. Aktuell wäre zwar die Wiener SPÖ weiterhin für eine Abgabe, ihr Koalitionspartner, die Neos, ist aber strikt dagegen. Die Neos haben der Verfassungsänderung im Nationalrat, ebenso wie die FPÖ, deshalb auch nicht zugestimmt. Die Wiener Koalition hat sich aber Ende des Vorjahres auf eine Zweitwohnungsabgabe geeinigt, sie ist in Umsetzung. Die auf Bundesebene neu eingetretene Situation will man in der Bundeshauptstadt beobachten.

Dasselbe gilt für Niederösterreich, wo man sich ebenfalls schon im Vorjahr auf die Einführung einer Nebenwohnsitzabgabe geeinigt hat. Diese Pläne werden weiterhin verfolgt.

Im Burgenland will die Landesregierung in erster Linie ungenutztes Bauland und leerstehende Gewerbeimmobilien mobilisieren, in Sachen Wohnimmobilien sei eine Leerstandsabgabe derzeit "kein Thema", wie ein Sprecher der Landesregierung dem STANDARD mitteilt. Auch das Land Oberösterreich will zunächst Brachflächen und ungenutzte Gewerbeimmobilien in Angriff nehmen.

In Kärnten überlegt man aber nun ein wenig intensiver über die Einführung einer Leerstandsabgabe für Wohnungen. Landesrätin Gaby Schaunig (SPÖ) sagt dazu "grundsätzlich ja", die Abstimmung mit Koalitionspartner ÖVP stehe aber noch aus, zudem eine Abstimmung mit dem Städte- und Gemeindebund zur konkreten Ausgestaltung. Dazu will man sich die Modelle in jenen Bundesländern genau anschauen, die schon eine Abgabe eingeführt haben.

Zu den besagten Bundesländern zählen die Steiermark, Salzburg und eben auch Tirol. Dort werden die ersten Erfahrungen damit abgewartet. Das gilt auch für Vorarlberg, wo erst zu Jahresbeginn das Zweitwohnungsabgabegesetz in Kraft getreten ist. Derzeit gilt hier ein Höchstbetrag von 2775 Euro pro Jahr und Wohneinheit. Über die Höhe der Abgaben wird wohl überall diskutiert werden, wo es schon eine Abgabe gibt.

Der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) sagte kürzlich im ORF-Radio, dass man jetzt eben "die Möglichkeit hat, etwas mehr zu verlangen". Das werde man sich ansehen.

Herausforderungen bleiben

Doch mit den erweiterten Befugnissen der Länder ist es natürlich noch nicht getan. Die größere Herausforderung ist und bleibt es, den Leerstand auch tatsächlich aufzuspüren.

Diesbezüglich wird es in Tirol demnächst ernst: Bis 30. April ist die Steuerpflicht aus dem Jahr 2023 erstmals den Gemeinden bekanntzugeben. Wie viele Liegenschaftseigentümer das machen werden, ist aber offen. Denn die Abgabe ist in Tirol zwar einerseits eine Muss-Bestimmung für Gemeinden, das heißt, diese sind verpflichtet, sie einzuheben. Andererseits ist die Abgabe aufseiten der Abgabenschuldner "bloß" eine Selbstbemessungsabgabe, das heißt, die Schuldnerin hat sie selbst zu berechnen und zu erklären und an die Gemeinde zu entrichten. Die Gemeinden sind also auf die Ehrlichkeit der Menschen angewiesen.

In Innsbruck wie in allen anderen Tiroler Gemeinden müssen bis 30. April die Leerstände des Vorjahres gemeldet werden.
Putschögl

Nur: Vermieterinnen und Vermieter würden manchmal gar nicht wissen, dass sie abgabepflichtig sind. Öfters komme es nämlich vor, dass Mieterinnen und Mieter Wohnungen auf touristischen Plattformen ohne Wissen des Vermieters stellen, oder dass sich die Mieter nicht hauptwohnsitzlich im Meldeamt anmelden. "In so einem Fall, wenn keine Hauptwohnsitzbelegung besteht, wäre die Abgabe fällig", erklärt Manfred Hirsch, der Referatsleiter am Innsbrucker Magistrat. Er hat bei Unklarheiten auch die Möglichkeit, zwei Mitarbeiter schicken zu können, die sich die Lage direkt vor Ort anschauen.

Umgehung wird probiert

Sie sind derzeit auch in Sachen Kurzzeitvermietung sehr viel unterwegs. "Viele Leute versuchen jetzt nämlich, durch Privatzimmervermietung die Leerstands- und Freizeitwohnsitzabgabe zu umgehen", weiß Hirsch. Eine (entgeltliche) Kurzzeitvermietung ist in Tirol nur unter gewissen Voraussetzungen möglich. "Die Unterscheidung, was ein Freizeitwohnsitz und was ein Leerstand ist, ist oft sehr schwierig."

Am meisten zu "holen" gebe es aus dem "Tiroler Freizeitwohnsitz- und Leerstandsabgabegesetz", das 2022 beschlossen wurde, aber eben im Segment des Freizeitwohnsitzes, ist sich Hirsch sicher. Allerdings macht es die Konstruktion der Leerstandsabgabe als Selbstbemessungsabgabe den Gemeinden schwer, dem Leerstand auf den Grund zu gehen. "Das Gesetz ist so nicht vollstreckbar", sagt Hirsch. Verwaltungsstrafen für unterlassene Erklärungen sind zwar möglich, aber Gemeinden, die nicht aktiv ihren Gebäudebestand bearbeiten, werden ihn kaum aufstöbern, meint er.

Den Bundesländern wäre es zwar auch ohne die aktuelle Verfassungsänderung schon möglich gewesen, amtswegig erhobene Abgaben einzuführen. Allerdings bestanden diesbezüglich starke Zweifel, was den Datenschutz betrifft. Sie bestehen nach wie vor, auch in der neuen schwarz-roten Tiroler Landesregierung, die erst kürzlich immerhin angekündigt hat, die bestehende Regelung überarbeiten zu wollen. Datenschutzrechtliche Bedenken will man bis Herbst mit dem Justizministerium klären.

Datenschutz als "Vorwand"

Für Justizministerin Alma Zadić (Grüne) wird der Datenschutz nur "als Vorwand instrumentalisiert", wie sie kürzlich der Tiroler Tageszeitung sagte. Und auch für Hirsch geht der Datenschutz-Aspekt "etwas am Thema vorbei". Man arbeite mit Registern, auf die man als Gemeinde offiziell Zugriff habe; und das Grundbuch sei sowieso für alle öffentlich. Im gesamten Prozess der "Berichtigung" des Gebäudebestands spiele der Datenschutz erst ganz zum Schluss eine Rolle. Was es aus seiner Sicht bräuchte, seien "Berichtigungen" der Register auch für kleinere Gemeinden, angesiedelt etwa auf Landesebene.

Manfred Hirsch, Referatsleiter in Innsbruck: "Die Unterscheidung, was ein Freizeitwohnsitz und was ein Leerstand ist, ist oft sehr schwierig."
Putschögl

Zudem müsse vorab überprüft werden, in welchen Bereich eine "leerstehende" Wohnung überhaupt fällt, bevor der Eigentümer angeschrieben werden kann – also Leerstands- oder Freizeitwohnsitzabgabe. "Man kann nur für eine Abgabe belangt werden."

Kontrollen in Uniform

Kontrollen vor Ort führen die Bediensteten des Innsbrucker Magistrats stets in Uniform aus, trotzdem würden Eigentümer, die man antreffe, "oft uneinsichtig sein", fallweise auch "lügen, dass sich die Balken biegen". Treffe man in illegalen Touristenunterkünften hingegen Urlauber, sei denen der Umstand, dass sie eigentlich gar nicht hier sein dürften, "meistens relativ egal". Eventuell falle die Bewertung des Gastgebers danach schlechter aus, sagt Hirsch – "was gut ist, denn das nützt uns indirekt dann auch wieder".

Und wenn man es schaffe, durch eine Kontrolle aus einem Neben- einen Hauptwohnsitz zu machen, "dann bringt das der Stadt natürlich auch Geld", sagt Hirsch – nämlich über den Finanzausgleich. (Martin Putschögl, 25.4.2024)