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Was macht eine gute Lehrkraft aus? Was muss sie können?
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Metaphern des Reisens erfreuen sich im Kontext pädagogischer Diskurse großer Beliebtheit. Insofern ist es nicht weiter erstaunlich, wenn Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) die nun beschlossene Reform des Lehramtsstudiums als "bildungspolitischen Meilenstein" bewirbt. Sie beinhaltet die Verkürzung des Bachelorstudiums auf drei statt bisher vier Jahre, die Verlängerung des Masterstudiums für Volksschullehrerinnen und -lehrer und somit die Vereinheitlichung aller Lehramtsstudiengänge hinsichtlich ihrer Dauer. Um einer Überlastung der Junglehrerinnen und -lehrer während des Masterstudiums vorzubeugen, seien zudem "Schutzmaßnahmen" vorgesehen, wie etwa die Begrenzung des Unterrichtspensums auf maximal eine halbe Lehrverpflichtung, die Entlastung von Zusatzaufgaben und die Erleichterung des berufsbegleitenden Studiums.

In quantitativer Hinsicht mag die Vielzahl der Maßnahmen durchaus beeindrucken. Was ihre qualitative Seite betrifft, ist es jedoch fraglich, inwieweit die Metapher vom "Meilenstein" tatsächlich angebracht ist. Im Gegenteil: Die von der Universitätenkonferenz geäußerte Befürchtung einer weiteren Entprofessionalisierung des Berufs erscheint nach wie vor berechtigt. Der Grund dafür liegt darin, dass auch die aktuelle Reform ein zentrales Manko der vor zehn Jahren etablierten "Pädagog:innenbildung neu" nicht behebt: nämlich das Fehlen einer kontinuierlichen Begleitung des Praxiseinstiegs durch erfahrene – und dafür ausgebildete – Kolleginnen und Kollegen, wie es beispielsweise im Rahmen des Unterrichtspraktikums möglich war.

"Nach wie vor ist schulisch vermittelte Bildung ein bedeutsames Instrument, um soziale Ungleichheiten zu reduzieren."

Zwar ist den Lehrenden während ihrer sogenannten Induktionsphase ein Mentor oder eine Mentorin zur Seite gestellt, diese werden in ihrer Lehrverpflichtung aber nicht mehr entlastet und haben stundenplanbedingt kaum Gelegenheit, den Unterricht ihrer Mentees zu besuchen. Auf diese Weise werden sowohl Kosten als auch Lehrpersonal eingespart – um den Preis, dass den "Neulingen" im Lehrberuf ein detailliertes Feedback zu ihrer Tätigkeit verwehrt ist.

Dies irritiert umso mehr, als es sich hierbei um eines der wichtigsten Instrumente handelt, um professionelles Handeln von Lehrenden zu verbessern. Denn in einem komplexen Tätigkeitsfeld wie dem Unterrichten, in dem sich so verschiedene Aufgaben überlagern wie die Vermittlung fachlicher Inhalte, die Diagnostik und Evaluation von Lernfortschritten, Erziehungsaufgaben und das sogenannte Classroom-Management, gibt es keine einfachen "Rezepte", wie solche Aufgaben zu bewältigen sind. Umso wichtiger ist die reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Lehrtätigkeit. Vor allem dadurch kann nach und nach ein der eigenen Persönlichkeit entsprechendes Handlungsrepertoire entwickelt werden, das es Lehrenden ermöglicht, im Klassenzimmer nicht nur zu "überleben", sondern jenen Aufgaben und Bildungszielen, welche die Schule erfüllen soll, gerecht zu werden.

Primär Einsparungsmaßnahmen

Angesichts der Vielfalt dieser schulischen Aufgaben ist es umso irritierender, dass Reformen, welche die Bildung und das Dienstrecht des Lehrpersonals betreffen, seit mittlerweile Jahrzehnten primär Einsparmaßnahmen darstellen. So wird erwartet, dass Pädagoginnen und Pädagogen neben der Vermittlung von Wissen auch Erziehungs- und Integrationsaufgaben wahrnehmen, die Auswüchse des digitalen Zeitalters mildern, Sucht- und Gewaltprävention betreiben und den demokratischen Grundkonsens sichern – und die Liste der Aufgaben ließe sich geradezu beliebig fortsetzen. Doch auch wenn es abwegig ist zu erwarten, dass die Schule all diese Aufgaben erfüllen kann, so ist es trotzdem richtig, dass sie in den genannten Bereichen einen Beitrag zu leisten vermag.

Nach wie vor ist schulisch vermittelte Bildung ein bedeutsames Instrument, um soziale Ungleichheiten zu reduzieren. Die österreichische Bildungspolitik der 1970er-Jahre, die übrigens tatsächlich einige Meilensteine zu setzen wusste, hatte dies verstanden: So freute sich der frühere Unterrichtsminister und Bundeskanzler Fred Sinowatz (SPÖ) darüber, durch die Schülerfreifahrten und den kostenlosen Zugang zu Schulbüchern mehr Chancengleichheit geschaffen zu haben.

Demgegenüber erscheint die Begründung, die Polaschek für die aktuelle Reform angeführt hat, vergleichsweise nebulös: Die österreichischen Schulen sollen "auf die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts" vorbereitet werden. Diese Unschärfe ist bedauerlich, denn gerade in Bildungskontexten ist es hilfreich, sich immer wieder und in aller Deutlichkeit bewusst zu machen, wohin die Reise konkret gehen soll. Das gilt für Bildungspolitiker ebenso wie für Pädagoginnen und Pädagogen: Der Beruf der Lehrerin, des Lehrers ist vor allem deshalb eine attraktive Tätigkeit, weil er sinnstiftend ist – ganz zu schweigen von der Freude, die die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bereiten kann.

Bessere Verschränkung

Mit einer bloßen Kürzung der Studienzeiten wird deshalb wohl kaum neues – und vielleicht nicht unbedingt das richtige – Lehrpersonal gewonnen werden. Um dies zu erreichen und um der zentralen Bedeutung von Schule und Bildung für unsere Gesellschaft besser gerecht zu werden, müsste sich die Politik deshalb endlich einmal wieder zu ambitionierteren Maßnahmen durchringen, welche die Rahmenbedingungen nicht nur für die Lehrenden verbessern: eine bessere Verschränkung von Praxis und Theorie im Studium, mehr administratives, sozialpädagogisches und psychologisches Supportpersonal an den Schulen und eine architektonische Offensive für Altbauschulen. Dies wären Maßnahmen, die dann tatsächlich die Bezeichnung "Meilenstein" verdienten. (Alexandra Amante, 27.4.2024)