Wenn Innenminister und Newskameras rasch wieder weg sind aus Favoriten, ein Waffenverbot neu und eine Schutzzone schon länger in Kraft: Dann schaut Tiba Marchetti von Am Schauplatz genauer hin, fragt nach und zeigt das ganze Bild vom "Gefährlichsten Ort Wiens". Donnerstagabend um 21.05 auf ORF 2.

"Wenn die Fäuste nichts bringen, muss man zustechen": Das Fixiermesser aus der Tasche kommt ebenso vor wie die jungen Männer, die glaubhaft sagen, sie wüssten nicht, wofür sie eines brauchen. Andere machen "Kampfsport" und glauben, dass sie damit schon rauskommen aus Messerangriffen. Messer, weiß ein anderer, werden gezogen, wenn zwei Banden aneinandergeraten.

"Am Schauplatz" Keplerplatz in Wien-Favoriten.
ORF

"Wo lebst'n du?"

Die Altfavoritner Trankler kommen zu Wort, denen "zu viele" und gefährliche Kulturen da sind, wie die Altfavoritner Trankler und Originale, die mit dem neuen Favoriten gut zurechtkommen. Zwei geraten beinahe in Streit, weil sich der eine sicher fühlt und sagt "ich verhalte mich vielleicht anders gegenüber den Leuten" und der andere davon erzählt, er sei niedergeschlagen worden. "Wo lebst'n du?" Die vielen Schattierungen zwischen diesen Welten in einem und demselben Bezirk zeigt der "Schauplatz".

Die junge Angestellte des Favoritner Amalienbads ist schnell dorthin zurück geflüchtet, als sie nach Dienstschluss viel Polizei und einen Mann mit Messer herumlaufen sah, erzählt sie. Und ihre Kollegin, dass sie solche Szenen schon durchs Fenster beobachtet hat.

"Ich hab jetzt nicht Angst, dass wer mir das Messer reinrammt"

Und mittendrin unglaubliche, auch unglaublich traurige Schicksale, erzählt in Minuten. Die Geschichte vom in Tirol obdachlosen Paar, das ein Angebot einer Wohnung in Wien annahm, wo es kein fließendes Wasser gibt. Er hat ein blaues Auge, sie sagt, weil er dazwischengeht, wenn sie sich ständig anhören muss: "Du bist eine Scheiß Transe, du bist eine Scheiß Schwuchtel." Auf dem Keplerplatz "alleine als Frau? Nein danke!"

Oder die Geschichte von der unerschüttert fröhlich-angeheiterten, singenden Frau, die erzählt, wie sie von ihrer Mutter geschlagen wurde, mit 16 auszog, kellnerte und rasch Prostituierte wurde, ihr Freund, der Zuhälter, hielt ihr die Pistole an den Kopf. Sie landete in der Psychiatrie und schließlich wieder in Favoriten, zwischen Reumannplatz und Keplerplatz.

Der Journalist kommt zu Wort, dem der sonst schöne Keplerplatz zu laut ist, an dem er wohnt. Der Platz hat beim abendlichen Äußerln neben Haschisch auch bedrohliche Situationen im Angebot. Er ist weggegangen, geschehen ist nichts. Sein Nachbar wiederum nimmt Favoriten gelassen, in dem seine Mutter ein Handarbeitsgeschäft hat, das längst ein Shop von Pearle ist. "Ich hab jetzt nicht Angst, dass wer kommt und mir irgendwo hinten das Messer reinrammt", sagt der stämmige Nachbar vor dem Favoritner Eisklassiker Tichy. Und: "Es einem jeden recht machen, geht eh nicht, also denk ich mir: Es funktioniert, wie’s funktioniert." Nachsatz: "Ich freu mich vielmehr auf ein Eis, ist gescheiter."

Schauen Sie hin. (Harald Fidler, 2.5.2024)