Es war ein Grillabend mit Armin Wolf, den SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken vielleicht nicht erwartet hatte, als sie am hohen Festtag der Sozialdemokratie ins ZiB 2-Studio gekommen war.

Wolf wird ihre Einordnung der AfD als "Nazi-Partei" ebenso hinterfragen wie Vergleiche mit NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, den Ausschluss einer weit voranliegenden 30-Prozent-Partei von Regierungsverantwortung. Er wird sie fragen, ob ein Parteiverbot als Antwort auf die AfD nicht "armselig" ist. Und sie erinnern, dass "niemand in der AfD Konzentrationslager bauen" wolle.

Als Wolf sich nach knapp 13 Minuten für den Besuch bedankt, wird Esken etwas murmeln, das klingt wie "ganz ... gern".

"Ist das nicht armselig?" Armin Wolf befragt die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken zur AfD.
ORF "ZiB 2" Screenshot

"Kleiner als gedacht"

"Kilometerweit" liegt die SPD bundesweit hinter der Union, gleichauf mit der AfD, und ihr Kanzler hat eines versprochen: "Wer Führung bestellt, bekommt sie." So umreißt Wolf das schwierige Feld für die deutsche Sozialdemokratie. "Schmerzlich, natürlich", räumt Esken ein, insbesondere die Lage zur AfD. Multiple Krisen stapelten sich, nicht nur in Deutschland gebe es solche Tendenzen. Einfache Antworten und Sündenböcke der AfD kämen da an, es brauche aber sachpolitische Maßnahmen.

Über die streite die Koalition, wendet Wolf ein mit Blick auf eine 2023 geschrumpfte Wirtschaft und das geringste Wachstum: Wie sinnvoll ist die in Sachfragen zerstrittene Dreierkoalition der SPD mit FDP und Grünen?, fragt er. "Wir werden uns einigen können auf Maßnahmen, wir haben uns auch in den letzten zweieinhalb Jahren auf viele Maßnahmen einigen können", erklärt Esken und verweist etwa auf das Wachstumsstärkungsgesetz, wenn das auch "kleiner als gedacht" ausfiel.

"Ich halte diese Chance für sehr – durchaus gegeben."

"Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Ampelkoalition bis zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 hält?" Esken hat noch die von der FDP geforderte "Wirtschaftswende" von vorhin im Ohr und biegt rasch ab: "Ich sage Ihnen was: Rentnerinnen und Rentner in Schrecken zu versetzen ..."

"Das war jetzt gar nicht meine Frage", versucht Wolf Esken einzufangen. Esken bleibt auf Kurs: "Aber ich sag es: Das ist keine Wirtschaftswende, keine Wirtschaftspolitik. Es geht darum ..."

"Frau Esken, meine Frage war, wie wahrscheinlich ist es, dass die Ampelkoalition bis zur nächsten regulären Bundestagswahl hält." Die Antwort fällt durchaus bemerkenswert aus: "Ich halte diese Chance für sehr – durchaus gegeben."

Die Formulierung findet auch Wolf interessant: "Durchaus gegeben wäre ja eine Chance von 20 Prozent auch." Da hat er vielleicht eines überhört: Esken sagte ja: "sehr – durchaus". Das wären dann mindestens 25 Prozent, oder? Esken jedenfalls versichert nun sehr durchaus: "Wir werden beim Haushalt und bei der Dynamisierung der Wirtschaft Lösungen finden, um bis zum Ende der Legislatur zu regieren."

"Armselige" Reaktion Parteiverbot

Die AfD könnte bei den drei Regionalwahlen im Herbst auf Platz eins kommen. Esken hat erst vor Wochen erklärt, man müsse ein Verbot der AfD prüfen, leitet Wolf seine nächste Frage ein: "Ist es nicht armselig, wenn sich eine Partei wie die SPD gegen politische Konkurrenz nicht anders zu helfen weiß als durch ein Verbot?"

Das Instrument sehe die Verfassung vor, und das sei ja nicht das einzige Instrument, betont Esken: "Wir müssen uns mit der AfD inhaltlich auseinandersetzen, wir müssen sehr klar deutlich machen, dass sie eben nicht an der Seite der einfachen Leute, der kleinen Leute, der Arbeiterinnen und Arbeiter steht, wie sie das vorgibt. Das ist eine Reiche-Eliten-Partei. Sie würde volkswirtschaftlichen Wahnsinn begehen, indem sie die EU verlässt, das ist auch so eine Idee. Und die Migrantinnen und Migranten, die Deutschland mit aufgebaut haben, des Landes zu verweisen, 27 Prozent unserer Bevölkerung, wäre wohl auch ziemlich verrückt." Es müssten Finanzströme der AfD "ausgetrocknet werden", später erwähnt sie Russland und China, "Verbindungen zu verbotenen Organisationen" offengelegt werden.

"Das ist eine Nazipartei"

Ist es demokratisch, eine Partei, die möglicherweise über 30 Prozent kommt und in einem Bundesland mit Abstand die stärkste Partei wäre, um jeden Preis von der Regierung fernzuhalten?, fragt Wolf, die Frage hören vielleicht auch österreichische Freiheitliche ganz gern. "Goebbels hat 1935 eine Rede gehalten über die Dummheit der Demokratie", antwortet Esken. Die Demokratie habe "der NSDAP alle Mittel in die Hand gegeben, um sich selbst abzuschaffen" – gemeint: die Demokratie. Diese Mittel werde man nicht der AfD in die Hand geben, sagt sie.

Wolf: "Vergleichen Sie die AfD mit Goebbels?"

Esken: "Ja, das ist eine Nazipartei."

Wolf: "Ist das nicht maßlos übertrieben?"

Esken: "Nein. Weil ganz klar das völkische Denken vergleichbar ist, die Bestrebung, die Demokratie zu untergraben, vergleichbar ist, menschenfeindliche Haltungen gegenüber allen möglichen Gruppen in unserer Gesellschaft, Ausgrenzung, Spaltung, das sind ernsthafte Gefahren für unsere Demokratie."

"Niemand in der AfD schlägt vor, Konzentrationslager zu bauen"

Wolf: "Niemand in der AfD schlägt vor, Konzentrationslager zu bauen, andere Parteien zu verbieten oder die Demokratie abzuschaffen."

Esken: "Die AfD hat ganz klar verfassungsfeindliche Bestrebungen, die darauf abzielen, unsere Demokratie zu zerstören. Davon bin ich überzeugt."

Es wird noch um AfD-Applaus für die Formulierung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gehen, den Ukrainekrieg "einzufrieren", und um das deutsche Nein, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. Es gebe "unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Ukraine diese Waffen dringend braucht", sagt Esken. Kanzler Olaf Scholz habe "relativ deutlich" erklärt, warum er gegen die Lieferung dieser Waffen ist. Das habe "sicherheitstechnische Gründe". Das gelte auch nach den Wahlen dieses Jahres. Nachsatz: Die USA und die Briten würden ohnehin schon "solche Waffen liefern". (Harald Fidler, 2.5.2024)

"ZiB 2": SPD-Vorsitzende: "AfD ist eine Nazi-Partei"
SPD-Vorsitzende Saskia Esken spricht über den Zustand der deutschen Sozialdemokratie, die Chancen der Ampelregierung und den Umgang mit der immer populäreren Partei AfD.
ORF