Judenplatz Wien
Die Rede soll am Judenplatz in Wien stattfinden.
STANDARD/Heribert Corn

Wien – Ariel Muzicant, ehemals Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), kritisiert die geplante diesjährige "Rede an Europa" des deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm, die am kommenden Dienstag im Rahmen der Wiener Festwochen auf dem Judenplatz stattfindet. Nachdem am Freitag bekannt worden war, dass sich die Erste Stiftung als Partner zurückgezogen hat, spricht Muzicant im "Kurier" von einer "falschen Rede am falschen Ort".

Der Unternehmer und Interimspräsident des Europäischen Jüdischen Kongresses und Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses sagte der Zeitung, dass man bei vielen Stellen – so etwa bei Bürgermeister Michael Ludwig sowie bei Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (beide SPÖ) und der Erste Stiftung – interveniert habe. Er sage nicht, dass das Programm der Festwochen antisemitisch sei, aber es fördere den Antisemitismus. "Wäre ich 30 Jahre jünger, würde ich am Dienstag hingehen – und Eier werfen", so Muzicant zum "Kurier".

Rückzug der Erste-Stiftung

Der Festwochen-Sponsor hatte seinen Rückzug von der Organisation der "Rede an Europa" am Freitag gegenüber der APA bestätigt, nachdem die für Montag geplante Pressekonferenz kurzfristig um einen Tag verschoben worden war. Es habe unterschiedliche Auffassungen über den Judenplatz als Austragungsort der Rede gegeben. Man rücke grundsätzlich davon nicht ab, "aber für das heurige Thema hat es aus unserer Sicht nicht gepasst", sagte ein Sprecher zur APA. Die Festwochen betonten auf APA-Anfrage, dass sowohl Boehm als Redner als auch der Judenplatz als Austragungsort stets außer Frage gestanden seien.

Bereits im März erklärte der Intendant der Wiener Festwochen, Milo Rau, im STANDARD-Interview, seine Haltung zu der anhaltenden Debatte: "Nein, es gibt bei den Festwochen keinen Platz für Antisemitismus." Im Weiteren verteidigte er die Einladung von Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux und des griechischen Ökonomen Yanis Varoufakis. Beide sind wegen ihrer kritischen Einstellung gegenüber Israel umstritten. Laut Rau werde der Begriff des Antisemitismus aktuell aber "unvorsichtig benutzt und instrumentalisiert".

Nach Informationen der Festwochen wird sich Boehm in seinem Beitrag mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt auseinandersetzen. In der Rede mit dem Titel "Shadows of History, Spectres of the Present: The Middle East War and Europe's Challenge" werde der Philosoph, der kürzlich mit dem Preis für Europäische Verständigung ausgezeichnet wurde, den Leitfragen nachgehen, inwiefern der Konflikt "eine Gefahr für die europäische Identität" darstelle und wie "eine Verfassungskrise der Europäischen Union" abgewendet werden könne. (APA, red, 4.5.2024)