Es ist ein schwieriger Spagat für Unternehmen. Einerseits kommen sie nicht daran vorbei, Nachhaltigkeitsauflagen zu erfüllen, andererseits schwinden Interesse und Motivation dafür. Fast die Hälfte der heimischen, nicht an der Börse notierten Unternehmen hat aktuell keine Nachhaltigkeitsstrategie und plant mittelfristig auch keine, wie jüngst ein Bericht der Beraterfirma EY zeigte. Nur die Regulative einzuhalten, koste viele Betriebe schon große Kraftakte. Nimmt der bürokratische Aufwand ständig zu, ermüde das.

Eine, die dieses Problem gut kennt, ist Marga Hoek. Die Niederländerin ist Expertin für nachhaltiges Wirtschaften und war als Beraterin schon bei G7- und G20-Gipfeln zu Gast. "Regierungen versuchen, die Hintertür zu schließen. Wenn Unternehmen aus der Öl- und Gasindustrie keine Auflagen bekommen, wird es noch unwahrscheinlicher, dass sie sich ändern. Außerdem soll Greenwashing vorgebeugt werden", sagt Hoek im Gespräch mit dem STANDARD im Vorfeld des 4GameChangers-Festivasl, bei dem sie kommende Woche eine Keynote halten wird. Das sei laut Hoek auch ein richtiger Ansatz, aber es werde Firmen unnötig schwer gemacht, sich "gut und richtig" zu verhalten.

Das Brandenburger Tor in Berlin war für eine Stunde im Rahmen der Earth Hour 2024 in Dunkelheit gehüllt.
Große, nicht börsennotierte Unternehmen sind in Sachen Klimaschutz im Schnitt deutlich weniger ehrgeizig als gelistete Firmen. Allerdings werden die Vorschriften auf europäischer Ebene immer strenger.
IMAGO/Andreas Friedrichs

So schreibt etwa die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung den rund 50.000 größten europäischen Unternehmen vor, schrittweise Daten über ihren Einfluss auf Gesellschaft und Umwelt offenzulegen. Auch das im April im EU-Parlament abgesegnete Lieferkettengesetz bereitet vielen schon jetzt Kopfzerbrechen. Es soll große Unternehmen zur Verantwortung ziehen, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren.

Neue Gesetze, alte Spielregeln

Marga Hoek findet all diese Ansätze richtig, nicht aber, wie die Dinge umgesetzt werden: "Es werden neue Gesetze mit alten Spielregeln entwickelt. Die Menge an Dingen, die dokumentiert und berichtet werden müssen, passen mit den Methoden nicht mehr zusammen. Hier braucht es andere Lösungen, Big Data und KI würde diese bereits ermöglichen. Es kostet Unternehmen außerdem viel Geld, um allen Vorschriften gerecht zu werden. Das nimmt die Motivation mehr als 'nötig' zu tun."

Dass es viel Widerstand auf Konzern- und auch politischer Ebene gebe, sei verständlich. Doch die meisten Schuldigen an der aktuellen Situation seien bald weg. "Ich glaube nicht, dass sich Menschen ändern, aber ich glaube, dass sich Generationen verändern. Bald besteht der Arbeitsmarkt nur noch aus Millennials und der Generation Z. Diese Leute denken anders, für sie geht es nicht nur um reinen Profit", meint Hoek.

Leben nach dem Investmentbanking

Um Profit um jeden Preis ging es auch im Leben von Stefan Kainz. Er war lange Zeit Investmentbanker und viel im Flugzeug unterwegs, all dem hat er abeschworen. "Mein Chef hat einmal zu mir gesagt: 'We are here to eat someone else's lunch.' Ich wusste dann, dass ich etwas verändern muss", erzählt er dem STANDARD. Danach hat er drei Jahre lang das Finanz-Start-up Wikifolio mit aufgebaut und betreibt aktuell die Crowdinvesting-Plattform Klimja. "Viele Menschen haben keine Lust mehr auf angeblich grüne Finanzprodukte, und im Endeffekt steckt doch wieder eine Ölfirma mit drin." Natürlich gehe es bei Klimja um einen finanziellen Anreiz, aber man weise auch eine soziale und ökologische Rendite aus. Etwa, wie viel CO2 bei Projekten eingespart wird, wie viel Strom aus Erneuerbaren kommt oder inwiefern Menschen geholfen wird.

Die Projekte reichen von einem Seniorenheim in Graz über eine Bäckerei im Senegal bis hin zu Wasserkraftanlagen in Kenia oder Solarprojekten in Deutschland. Der Auswahlprozess sei streng, sagt Kainz, 90 Prozent der Projekte würden abgelehnt. Die Renditen jedenfalls können sich sehen lassen, jährliche Zinsen von bis zu acht Prozent werden geboten. "Wir brauchen einen Risikoaufschlag, um den Ausfall einzelner Projekte zu kompensieren. Die Ausfallquote liegt bei knapp zwei Prozent, somit sind Renditen von sechs bis acht Prozent ein fairer Preis", sagt Kainz. "Wir haben bisher 5,7 Millionen Euro vermittelt, pro Person sind das im Schnitt 4400 Euro."

Wenn man aber risikoavers veranlagen möchte? "Es gibt bei herkömmlichen Banken grüne Angebote, und auch ein Sparbuch ist ja grundsätzlich nichts Schlechtes", sagt Kainz. Doch er rät allen, hartnäckig nachzufragen. "Wenn Banken merken, dass immer Menschen wissen wollen, was mit ihrem Geld passiert und damit vielleicht nicht einverstanden sind, kann das schneller zu einem Umdenken führen, als man meinen möchte." (Andreas Danzer, 8.5.2024)