Zeitungsredakteure und Zeitungsleser leben üblicherweise im besten Einvernehmen. Nur sehr selten kommt daher folgendes vor: Dass nämlich ein Leser (nennen wir ihn X) seine telefonische Kommunikation mit einem Redakteur (nennen wir ihn Y) so anlegt, dass sich Y von X nervlich beansprucht oder sogar ernstlich gestresst fühlt.

Unlängst wurde ich Zeuge, wie ein Kollege mitten in der hitzigsten Produktionszeit einen Anruf erhielt und, umgehend eine Grimasse schneidend, die hohle Hand über die Telefonmuschel hielt und verzweifelt in die Redaktionsräume stöhnte: "Ogott, darf das wahr sein, schon wieder dieser Lästling!". Damit brachte der Redakteur geschickt zum Ausdruck, dass ihm Anrufe dieses Gesprächspartners, sei es wegen deren Frequenz, Insistenz oder gar Penetranz, nicht richtig willkommen seien. Ein Glück nur für die Leser-Blatt-Bindung, dass sich solche Szenen, wie eingangs betont, in Redaktionen so gut wie nie zutragen.

Näher betrachtet sei in diesem Zusammenhang das Wort "Lästling":"Als Lästlinge werden Tiere bezeichnet, die sich gerne in der näheren Umgebung des Menschen aufhalten. Es handelt sich um kleinere Wirbellose wie Insekten. Lästlinge sind für den Menschen nicht gefährlich, ihre Anwesenheit wird jedoch als störend empfunden, besonders wenn sie zahlreicher auftreten.", definiert die Wikipedia.

Dazu eine kleine sprachmoralische Bemerkung. Menschen mit Insekten zu vergleichen, ist spätestens seit den Nazis ein Tabu, und dies völlig zu Recht. Wenn der Lästling als Versatzstück in einer politischen Rede auftauchte, würde ich mich darüber empören. Im vergleichsweise unpolitischen Kontext eines Redaktionsalltags wird man den Lästling wohl eher als humoristische Façon de Parler durchgehen lassen, zumal ja auch die lautliche Nähe von Lästling zu Lüstling eine gewisse heitere Note verbürgt.

Lustige, lüsterne und vielleicht lästige Assoziationen der Leser sind natürlich wie immer erbeten.