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Ein Händler verkauft sein Gemüse vor dem Plakat von Präsidentschaftskandidat Nano Addo. Die Preise sind auf Rekordniveau.

Foto: Reuters/Yaw Bibini

In Ghana wird an diesem Sonntag ein Nachfolger von Präsident John Kufuor gewählt. Der gewalttätige Wahlkampf wird vom Streit über erwartete Öleinnahmen und dem steigenden Drogenhandel überschattet.

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Auf dem Markt von Ashaiman laufen die Händler zur Hochform auf. Bevor die schwüle Mittagshitze in der Arbeitervorstadt am Rand von Ghanas Hauptstadt Accra jeden Schritt zur Qual macht, werfen sie sich fast auf die in bunte Kleider gewickelten Hausfrauen und Männer in Anzügen, die sich durch die engen Gänge drängen. Füllige Verkäuferinnen wedeln mit mächtigen Yam-Wurzeln und rasseln mit Bottichen voll Reis, aber nur wenige greifen zu. "Ich verdiene 55 Dollar im Monat", rechnet der Lehrer Felix Akwafo vor. "Zwanzig gehen für die Miete drauf, bleibt etwa ein Dollar, den ich pro Tag für alles andere ausgeben kann." Die Preise für Cassava, Reis oder Bohnen steigen seit Monaten. "Ich versuche schon, mit Nachhilfestunden ein bisschen Extrageld zu machen, aber die Eltern sind auch knapp bei Kasse."

Kurz vor der Wahl am Sonntag, bei der die Ghanaer über ein neues Parlament und einen Nachfolger von Präsident John Kufuor abstimmen, beherrscht nur ein Thema die Debatte: Geld. Die Kandidaten der beiden großen Parteien, Oppositionschef John Atta Mills und Regierungsmann Nana Akufo-Addo überbieten sich mit Versprechungen von Wahlgeschenken. Freie Schulausbildung, sozialer Wohnungsbau und kostenlose Gesundheitsversorgung. Finanziert werden soll das durch den neuen Reichtum der ehemaligen Goldküste. Eines der größten Ölvorkommen Afrikas haben Prospektoren vor Ghanas Küste gefunden. Ab 2010, so Prognosen, soll das Öl und damit die Milliarden fließen.

Schon jetzt befindet sich Ghana, das 16 Jahre nach dem Ende der Militärherrschaft als Musterland Westafrikas gilt, in einem beispiellosen Aufschwung. In Accra werden Hotels, Bürohochhäuser und Shoppingmalls aus dem Boden gestampft. Indische und chinesische Bautrupps haben gerade den neuen Präsidentenpalast fertiggestellt, eine monströse Version eines asiatischen Tempels mit Anleihen in Ghanas Folklore; Kostenpunkt: 50 Mio. Dollar. Dass der Staat pleite ist, spielt keine Rolle: Gerade hat Ghana 750 Mio. Dollar Staatsanleihen aufgenommen. Auch internationale Kreditgeber rechnen damit, dass Petrodollars alle Schulden begleichen werden. Doch nicht alle sind so hoffnungsvoll.

Hoffnung und Gewalt

"Der Streit darum, wer von den Ölgewinnen profitiert, vergiftet schon jetzt die politische Atmosphäre im Land" , beobachtet der Ghanaer Kwesi Aning, der am "Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre" die Forschungsabteilung leitet. So gewalttätig wie dieser Wahlkampf war noch keiner. Vor allem im armen Norden und in Vorstädten wie Ashaiman gab es Ausschreitungen arbeitsloser Jugendlicher. "Die Erwartungen sind immens und kaum einzulösen" , glaubt der Politologe. Denn in Erwartung des Ölreichtums steigen schon jetzt die Preise. "Die meisten werden darunter leiden, weil sie ungelernte Hilfskräfte sind, die im Ölgeschäft keine Jobs kriegen."

Der Öl-Boom, so glaubt Aning, begünstigt zudem ein Geschäft, das seit Jahren wächst. Ghana gilt als eine der wichtigsten Drehscheiben im internationalen Drogenhandel: Kokain und Heroin werden über Ghana nach Europa geschleust. "Drogengeld hat alle staatlichen Institutionen durchdrungen und gefährdet den Zusammenhalt unserer Gesellschaft" , urteilt Aning.

Auch der Wahlkampf, der teuerste, den Ghana je gesehen hat, ist ihm zufolge durch Drogengelder finanziert worden. Ein Abgeordneter der Regierungspartei, Eric Amoateng, sitzt in New York in Haft, nachdem er Heroin im Wert von sechs Mio. Dollar ins Land schmuggeln wollte. Mehrere Minister werden der Verwicklung in den Drogenhandel beschuldigt. Das deutsche Bundeskriminalamt hat einen Spezialisten in Accra stationiert. Aning gibt einem neuen Präsidenten maximal drei Jahre, um den Drogensumpf mit harten Maßnahmen trocken zu legen. "Sonst werden die Drogenbosse das Land endgültig kontrollieren." (Marc Engelhardt aus Accra/DER STANDARD, Printausgabe, 6./7./8.12.2008)