Politischem Selbstlob ist immanent, zu verschweigen, dass das gerade Betrommelte anderswo auch existiert: Ruhm ist endlich - und wer will schon auf den Satz "Ich habe das Rad erfunden" verzichten? Eben. Deswegen ist das Gratisleihfahrrad eine Wiener Erfindung - zumindest in der Tellerrandinnensicht der Wiener. Und Frau A., die soeben ein Jahr in Paris lebte und über die dortigen Verleihstationen (750) und Gratisräder (angeblich 20.000) schwärmt ("Ich bin vorher nie in der Stadt Rad gefahren"), eine Nestbeschmutzerin. Denn natürlich verschweigt Wien gar nichts: Paris, fand Frau A. auf einer Wiens Stadtverwaltung nahestehenden Homepage, hat Wien nämlich kopiert. Irgendwann, meint Frau A., sollte man das den Franzosen sagen.
Frau A. forschte weiter: De-facto-Gratissysteme, lernte sie, hat halb Europa von Wien abgekupfert. Barcelona, Stuttgart, Lyon und Dublin etwa. Und Kopenhagen, Helsinki und Amsterdam haben Wien sogar vorab kopiert - also bevor das Original existierte. Im Grunde, sagt Frau A., sei das aber nur Beiwerk. Denn nachdem sie Paris problem- und angstfrei beradelt hatte, wollte sie Wien ebenso erobern. Doch die Zahl der Räder (1000) und Stationen (60) hinke den Pariser Verhältnissen "um Lichtjahre" nach. Auch, wenn man die Einwohnerzahlen gegenrechne. Echt schlimm sei aber etwas anderes: "Paris ist hektisch - aber Wien aggressiv. Ich bin wieder ins Auto umgestiegen." (Thomas Rottenberg/DER STANDARD/Automobil/31.7.2009)