Florea, Uzun und Daniel (von links) im Café von Colibasi. Heute sind alle drei arbeitslos.  Sie wollen wieder nach Österreich zurück.

Foto: Petru Pirnau / IMO

Viele haben Sehnsucht nach ihrer Wahlheimat.

Die Bewohner des moldauischen Dorfes Colibasi kennen ganz Europa. Wer nicht selbst schon im Ausland war, hat einen Nachbarn, der in Frankreich lebt, eine Tante die eben aus Spanien zurückgekehrt ist oder einen Cousin in Deutschland. So erzählen es zumindest die Bewohner. "Es gibt kein Land in Europa, wo nicht schon einer aus Colibasi war", sagen Daniel und Uzun mit etwas Stolz. "Außer Island vielleicht."

Uzun und Daniel gehören zur Österreich-Fraktion. 18 Mitglieder zählt diese Gruppe. Im Dorf Colibasi, das aus einer Hauptstraße, einem verwaisten Café und hunderten baufälligen Bauernhäusern besteht, ist das eine stattliche Anzahl. Die erste Frage Daniels, dessen niederösterreichischer Akzent so gar nicht zu seinem Gangster-Hut passt, den er nie abnimmt, lautet: Wie sieht es mit dem Michael-Jackson-Tribute in Schönbrunn aus? "Abgesagt?" Daniel war schon länger nicht mehr daheim.

Colibasi ist ein Dorf der Heimkehrer. Ein Viertel der Moldauer hat das bitterarme Land Richtung Westeuropa und Russland verlassen. In kaum einem Land der Welt sind, gemessen an der Bevölkerungszahl, so viele Einwohner als Arbeitsmigranten im Ausland. Viele werden aber wieder abgeschoben. Wer lang weg war, fühlt sich dann in Moldau richtig fremd.

So ist es auch bei Daniel und Uzun. Im Sommer 2004 erzählte ihnen ein Freund von Österreich, Daniel war 14, Uzun 16. In einem Internat als Waisen aufgewachsen, hatten sie Moldau nichts zu verlieren, in Österreich alles zu gewinnen. "Wir haben unsere Sachen gepackt und sind losgegangen" , erzählen sie. Von Colibasi ging es über die Ukraine und die Slowakei nach Österreich. Ganz ohne Hilfe. "Wenn du keine Zukunft hat, denkst du darüber nach, was du machen kannst" , sagt Daniel.

In Österreich kamen die beiden nach Traiskirchen, sie beantragten Asyl. Dann folgte die Normalität: Daniel und Uzun besuchten die Hauptschule in St. Pölten, später die HTL. Sie lernten Deutsch. Dann stand die Fremdenpolizei vor der Tür. Moldau ist arm, politisch verfolgt wurden Daniel und Uzun nicht. Sie mussten zurück.

Die "Österreicher" von Colibasi leben nicht im Elend, sehnen sich aber nach ihrer Wahlheimat. Und sie sind verärgert: "Ich habe immer meine Steuern gezahlt" , sagt der 21-jährige Florea, der in Wien bei einer Verpackungsfirma gearbeitet hat und zurück nach Simmering will.

In Colibasi sind Daniel, Florea und Uzun arbeitslos. Untertags haben sie wenig zu tun, am Abend lockt nur das Café. Daniel hat ein Moped gekauft, mit dem gast er durch den Ort. Den Bezug zu Österreich haben die drei nicht verloren.

Die Austrian Development Agency (ADA) finanziert dort ein Projekt für zurückgekehrte Moldauer. Bisher profitierten 280 Menschen davon. Die Moldauer können sich um 600 Euro Waren kaufen. Oder sie besuchen einen Businesskurs und bekommen einen Mikrokredit, um sich ein Geschäft aufzubauen. Das Projekt klingt gut, nur das Umfeld passt nicht: In Colibasi gibt es nichts, auf das man aufbauen könnte. Daniel und Uzun kauften um die 600 Euro eine Jätmaschine. Den beiden gehört ein Bauernhof. Aber ihr Interesse gilt etwas anderem: Sie wollen wieder nach Österreich. Darum haben sie im EU-Land Rumänien um die Staatsbürgerschaft angesucht. Moldawien gehörte einst zu Rumänien, ein Bukarester Gesetz erleichtert die Einbürgerungen. Allerdings beträgt die Wartezeit zehn Jahre. Um die Sache zu beschleunigen, haben sich Daniel und Uzun einen Anwalt genommen. "Ich gehe nach Österreich zurück" , sagt Daniel. "Und diesmal legal." (András Szigetvari aus Colibasi/DER STANDARD, Printausgabe, 17.9.2009)