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Die ESA-Illustration zeigt katalogisierte Objekte in einer erdnahen Umlaufbahn (Blick auf den Äquator).

Illustration: AP/ESA

Im Orbit um die Erde wird es eng. Der Müll im Weltraum nimmt zu. Eine wachsende Zahl von Teilen erhöht nicht nur das Risiko von Zusammenstößen sondern auch die Kosten künftiger Weltraummissionen, zeigen sich britische Experten überzeugt. Ihrer Studie zufolge wird sich die Zahl der "nahen Begegnungen" im Orbit (derzeit 13.000 pro Woche) in den kommenden zehn Jahren um 50 Prozent erhöhen (auf 20.000 pro Woche). Bei gleichbleibender Steigerungsrate wird es innerhalb von 50 Jahren sogar zu über 50.000 "nahen Begegnungen" pro Woche kommen. "Jetzt ist die Zeit zum Handeln", so Studienleiter Hugh Lewis von der University of Southampton.

Hintergrund

Unter dem Begriff Weltraummüll werden nicht mehr benötigte Überreste verschiedener Raumfahrtmissionen in Erdumlaufbahnen zusammengefasst - das können beispielsweise ausrangierte Teile, alte Satelliten, Fragmente von Raumfähren aber auch Teilchen einer Explosion oder Kollision sein. Ihre Begegnung wird als "nah" definiert, wenn sie innerhalb von fünf Kilometern aneinander vorbeifliegen. Durch die Bewegungsenergie - laut Lewis typischerweise 7,5 Kilometer pro Sekunde (oder 15 km/s relative Geschwindigkeit bei Konfrontationskurs) - kann selbst ein Teil von lediglich einem Zentimeter Durchmesser einen Satelliten unbrauchbar machen oder kann, wie Lewis es gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters ausdrückte, "etwas von der Größe einer Murmel ein Raumfahrzeug komplett zerstören".

Kollisionen und Gefahren

Wie berichtet waren im Februar ein russischer und ein Satellit der US-Betreiberfirma Iridium Satellite Hunderte Kilometer über der Erde kollidiert. Das dabei entstandene Trümmerfeld (ersten Schätzungen zufolge rund 600 Trümmerteile) trug in großem Maße zum Müll im All bei. Im März musste die Internationale Raumstation (ISS) wegen herumfliegenden Weltraumschrotts kurzzeitig evakuiert werden. Gefahr habe keine bestanden, es sei nur eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen, ließen die USA und Russland damals verlauten.

In den ersten Jahrzehnten der Raumfahrt sei der Weltraummüll relativ kontrollierbar gewesen, so Lewis. Dies hätte sich durch zwei Ereignisse verändert: Einerseits die oben erwähnte Satellitenkollision und andererseits die chinesische Zerstörung eines eigenen, inaktiven Satelliten durch eine Rakete im Jahr 2007 - was ebenso einen Trümmerregen zur Folge hatte. Indessen befinden sich NASA-Angaben zufolge geschätzte 19.000 Objekte mit einer Mindestgröße von 10 Zentimetern und geschätzte 500.000 kleinere Teile in einer Erdumlaufbahn.

Mögliche Auswirkungen

Während die Zahl "naher Begegnungen" stark ansteigt, muss die Hauptauswirkung nicht zwingend ein Anstieg der Zusammenstöße sein (wovon jeder wiederum zum Weltraumschrott beitragen würde). Vielmehr werde auch die Zahl der nötigen Gegenstrategien deutlich steigen, so Lewis. Und jede strategische Operation, um einen Satelliten vor einer Kollision zu bewahren, benötige Zeit, Können und Geld.

Die russische Nachrichtenagentur Novosti zitierte vor wenigen Tagen Juri Makarow, den Ressort-Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos: Mögliche Kollisionen von Satelliten mit Weltraummüll könnten militärische Konflikte verursachen, wenn der Weltraummüll als Vorwand für Kriegshandlungen instrumentalisiert werde, so Makarow.

Überwachung

Die USA gaben diese Woche bekannt, dass sie täglich 800 manövrierfähige Satelliten auf potentielle Kollisionen hin überwachen. Bis Jahresende sollen weitere 500 hinzukommen, berichtet Reuters. Die bereits erwähnte Satellitenkollision im Februar sei quasi ein Weckruf gewesen, so General Kevin Chilton vom US-Strategic Command. Zuvor hätten die Ressourcen gefehlt, weniger als 100 Satelliten seien täglich überwacht worden. Insgesamt beobachte die Air Force mehr als 20.000 Objekte (darunter Satelliten und Raketenstufen). Diese würden "gesehen". Schätzungen gehen jedoch von einer deutlich größeren Anzahl an Objekten aus, die eine Gefahr für Satelliten in einer Erdumlaufbahn darstellen.

In den letzten Jahren wurde Weltraumschrott als Gefahr - nicht zuletzt für die Raumfahrt - international anerkannt. Im Frühjahr hatten sich rund 330 Experten und Expertinnen aus 21 Ländern zur weltweit größten Tagung zu diesem Thema im ESA-Kontrollzentrum ESOC in Darmstadt (Deutschland) getroffen. Die Hauptbotschaft des Treffens war, dass es nicht nur um Müllvermeidung geht, sondern vielmehr auch aktive Maßnahmen zur Schrottbeseitigung ausgearbeitet und implementiert werden müssen. (dy)