Mikrofon-Check, eins, zwei, eins, zwei ... und Obacht, dass man in der Aufregung beim Puff-Karaoke nicht ins falsche Gerät singt. Die große kleine Kunst der Sandy Kane beim Donaufestival.

Foto: Robert Newald

Am Samstag ging das Kremser Festival mit einem von der Musikerin Peaches zusammengestellten Abend zu Ende.

Krems - Von der US-amerikanischen Country-Sängerin Dolly Parton ist ein schöner Satz überliefert. Der geht so: "You have no idea how much it costs to look so cheap" - "Du hast keine Ahnung, wie viel es kostet, um so billig auszusehen." Dank Privatfernsehen und Dominic Heinzl hat man aber auch als Zaungast von Reich und Blöd eine ungefähre Vorstellung, was da in Hinblick auf Implantation innerer Werte aus Silikon und Botox gemeint ist.

Über derlei ästhetische Fragen konnte man am Abschlussabend des heurigen Donaufestivals nachdenken, bei dem Sandy Kane, geboren in Newark, New Jersey, umtriebig in New York, vorführte, dass nur richtig billig noch billiger ist als teuer. Angetan in Stars-and-Stripes-Bikini präsentierte die vielfaltige Entertainerin ihren Beitrag zu einem von der kanadischen Musikerin Peaches zusammengestellten Abend beim Kremser Donaufestival, das heuer 12.500 Menschen anlockte.

Peaches ist so etwas wie die achselhaarige Mutter des Elektro-Clash, einer Musik, die man auch Techno-Punk nennen kann. Bloß dass statt Gitarre, Bass und Schlagzeug der Krach aus dem Synthie kommt.

Kampflyrik mit Witz

Peaches, eigentlich Merrill Beth Nisker und in Berlin lebend, verfasste dazu die Geschlechterrollen aufbrechende Kampflyrik mit Witz, die sich in Titeln wie Fuck The Pain Away oder Shake Yer Dix manifestierte. Das reichte für eine mittlere Weltkarriere - ein Duett mit Iggy Pop inklusive - und konvenierte mit dem von ihr ausgesuchten Programm.

Sandy Kane, der tiefe Höhepunkt eines lustigen Abends, spielt eine Mischung aus Grusical und Puff-Karaoke. Vom Band kamen wahlweise Schnulzen, Country- oder Rockabilly-Songs, die Kane, sich langsam weiter entblößend, mittels derb-fröhlichen Vortrags unterstützte. Wobei ihr nebst Mikrofon auch ein Dildo Mittel war, mit dem sie zeigte, weshalb derlei Spielzeug auf der Welt ist. Mit der Bikini-Gatti auf Halbmast sang sie über den "little penis" des ebenfalls zur Schamlosigkeit neigenden US-Radio-DJs Howard Stern, streifte das Thema Hämorrhoiden mit derselben Hingabe wie Michael Jackson oder den mystischen G-Punkt.

Gejohle und Gejaule im Publikum, ein fürwahr feuchtfröhlicher Auftritt. Wer die Dame im Internet sucht, die Seite www. sitonmyfacebook.com ist laut eigener Aussage ein heißer Tipp. Auch der Rest des von Peaches kuratierten Abends, an dem sie zuletzt auch selbst die Bühne für eine heftige Show betrat, war bestimmt von exzentrischen Bühnenoutfits und Versuchen über die Gender-Thematik. Dabei gab es neben der lustvollen Tiefe der Kane auch Bauchlandungen im Flachen.

Das Duo Cobra Killer etwa. Und die aus Kansas City stammende Band Ssion war bezüglich Abgestandenheit nicht zu überbieten. Zu plumpen Gitarrenriffs und elektronischer Wumme machte das Trio den Affen. Cody Critcheloe, der Sänger des Trios, vom Scheitel bis zu den Schultern ein 1970er-Jahre-Mopedrocker, hüpfte mit der Grandezza beschwipster Sachbearbeiterinnen beim Betriebsausflug über die Bühne, die Zahnstocherbeinchen in schwarzen Strumpfhosen versenkt.

Volksfeststimmung

Dazu bemühte sich der Schlagzeuger um eine Rechtfertigung seines hin und wieder tatsächlich hörbaren Wirkens, Ähnliches war vom Gitarristen zu beobachten. Der samstäglichen Volksfeststimmung tat dies keinen Abbruch, das Publikum war angetan und durfte ebenfalls ins Mikrofon kreischen. Hinten im Saal hopste eine Gruppe Zuseher und brüllte "Patti! Patti!" ("Party! Party!")

Ob an dieser Stelle jemand über das Motto des heurigen Donaufestivals - "Failed Revolutions", gescheiterte Revolutionen - nachgedacht hat, ist nicht bekannt. Einen günstigeren Zeitpunkt hätte es allerdings kaum gegeben.
(Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.5.2010)