Annie Lennox twittert. Beinahe täglich gibt sie Informationen über sich und ihre Aktivitäten preis. Doch anders als viele, wenn nicht gar die meisten ihrer prominenten Kollegen verwendet sie die Plattform nicht aus Motiven egoistischen Selbsterhaltungstriebs. Annie Lennox achtet auf den Kurs ihrer Ich-Aktie allein wegen der guten Sache. Seit Jahren engagiert sich die 55-jährige Popkünstlerin im Kampf gegen Aids und wendet sich mit ganzer emotionaler Kraft gegen die gesellschaftliche Ächtung der Krankheit. Dass sie Aids-Weltkongress und Human Rights March in Wien mit einem Konzert auf dem Heldenplatz schmückt, ist insofern konsequent.

Mit ihrer Initiative "Sing" leistet die Schottin in Südafrika Aufklärungsarbeit über die Gefahren von HIV/Aids und unterstützt Betroffene, vor allem Kinder und Frauen, mit speziellen Beratungsangeboten. "Sing" finanziert sich durch Spenden und aus Erlösen von den CD-Verkäufen und Tourneen der zweifachen Mutter.

Lennox kommt am 25. Dezember in Aberdeen als Tochter einer Köchin und eines Schlossers zur Welt. Annie lernt Klavier und Flöte und nimmt Chor- und Tanzstunden. Sie studiert klassische Musik in London an der Royal Academy of Music - und wirft kurz vor der Abschlussprüfung das Handtuch. Sie jobbt als Jazzsängerin und Kabarettistin in diversen Clubs und lernt ihren späteren Kompagnon Dave Stewart kennen. Erst als Paar, später als Freunde sind sie Eurythmics.

Die Formation sorgt in den 80er-Jahren für entscheidende Ästhetikschübe, indem sie sich als Gesamtkunstwerk verkauft. Mit karottenrotem Bürstenhaarschnitt und Männeranzug versprüht sie in Songs wie Sweet Dreams, Here Comes the Rain Again, Who's That Girl und There Must Be an Angel kühle Erotik. Miteinander zu spielen aufgehört haben Lennox und Stewart 1991, auch weil bei Konzerten das Publikum lauter sang, als Lennox selber den Ton angeben konnte, wie die selbstbewusste Blonde einmal andeutete. Zum offiziellen Ende kam es nie, erst 2005 wurden neue Songs aufgenommen. Als Solokünstlerin ist Lennox nicht minder erfolgreich. Für die Ballade "Into the West" erhält sie Golden Globe und Oscar. Ihrer Charity-Tätigkeit hat sie sich mittlerweile fast ganz verschrieben, zumeist im T-Shirt mit Aufschrift "HIV Positive".

Dass das Publikum lauthals mitsingt, wird sie auch in Wien nicht verhindern können. Wie sie den Kampf gegen Aids hier erlebt, wird sie uns mitteilen: über Twitter. (Doris Priesching/DER STANDARD/Printausgabe, 17./18.7.2010)