Gretner: "Die U-Bahn ist natürlich attraktiv weil sie schnell ist, aber sie ist viel zu teuer. Gerade wenn sie nicht voll besetzt ist, rechnet sie sich sicher nicht. Da wäre eine Straßenbahn besser."

Foto: Kainrath/Grüne

"Man hat im letzten Jahrzehnt viele Fehler gemacht. Verglichen mit dem früheren roten Wien, dem Karl-Marx Hof beispielsweise, der ja noch ein Statement war." Für die Planungssprecherin der Grünen, Sabine Gretner,ist die Wiener Stadtplanungs-Politik in vielen Teilen verbesserungswürdig. Im derStandard.at-Interview spricht Gretner über den Pratervorplatz, die Gasometer, teure U-Bahnen und hohe Mieten. Die Fragen stellte Anita Zielina.

derStandard.at: Vermissen Sie Grete Laska?

Sabine Gretner: Nein.

derStandard.at: Ich frage deshalb, weil die Geschichte um den Pratereingang Sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht hat, also dürfte es für Sie persönlich durchaus einen positiven Aspekt gehabt haben.

Gretner: Ich hätte den Wienern die ganze Sache gerne erspart. Das Gebäude steht ja immer noch dort, ist noch nicht ganz genutzt und hat bereits Bauschäden. Der Staatsanwalt hat ermittelt und hat für Anfang des Jahres den Bericht versprochen. Jetzt dürfte endlich ein Zwischenbericht da sein. Das wird noch spannend, denn es sind noch einige Verantwortliche im Dienst.

derStandard.at: Welche aktuellen stadtplanerischen Probleme/Skandale stehen denn an?

Gretner: Jede Menge. Die Stadt wächst sehr schnell und entwickelt sich stark. Die innerstädtischen Entwicklungsgebiete find ich sehr spannend. Beim Hauptbahnhof beispielsweise verspielt die Stadt eine große Chance. Die Leute kommen mit dem Zug an, der Bahnhof ist sowas wie die Visitenkarte der Stadt. Und die Gestaltung dieser Visitenkarte überlässt man der ÖBB und privaten Investoren, die große Grundstücke kaufen. Man hat sich auf die Flächenwidmung zurückgezogen – Das ist zu wenig. Es sollten mehr Statements gemacht werden: Wien als Stadt der Mobilität, der Ökologie, der Zukunft zum Beispiel. Man sollte Dinge mit Inhalten branden, nicht nur mit Titeln, wie „Monte Laa".

derStandard.at: Wenn wir schon bei „Monte Laa" sind – Werden die Wohngebiete an der Peripherie generell richtig geplant?

Gretner: Man hat im letzten Jahrzehnt viele Fehler gemacht. Verglichen mit dem früheren roten Wien, dem Karl-Marx Hof beispielsweise, der ja noch ein Statement war. Wenn man vergleicht, was damals gelungen ist und was man jetzt als reichere Stadt zusammenbringt, muss man sich fragen, was schief läuft. Es hat die Einführung der Bauträgerwettbewerbe gegeben, die für den Wohnbau sicher was gebracht haben, aber da sollte es einen nächsten Entwicklungsschritt geben. Ein System hat sich hier gut arrangiert, da gilt es neuen Schwung reinzubringen.

derStandard.at: Die Wiener FPÖ hat vergangene Woche in einer Pressekonferenz moniert, dass es für Sozial Schwache zu wenig Möglichkeiten zum leistbaren Wohnen gibt – Korrekt?

Gretner: Ja. Der geförderte Wohnbau ist zu teuer geworden. Da werden Grundkostenanteile, die 30.000 bis 70.000 Euro betragen, verlangt und dann noch relativ hohe Mieten. Das stellt gewisse Bevölkerungsgruppen vor große Probleme, überhaupt Zugang zum geförderten Wohnbau zu haben. Diese Personen rutschen dann in die Zinshäuser in Gürtelnähe oder in Gemeindebauten wo Wohnungen, die zum Beispiel schlecht belichtet sind, übrig bleiben.

derStandard.at: Wie kann man da gegensteuern?

Gretner: Die Baustandards sind teilweise sehr hoch und die Grundstückspreise steigen. Hier gibt es auch zu wenig Transparenz. Welche Bauträger wo mit wem bauen – wenn man sich das genauer ansieht, sind es immer die gleichen. Wie gesagt ein gut arrangiertes System, wo man mit Reformen zur Vergabe, Widmung und flexibleren Bauvorschriften auch günstiger bauen könnte.

derStandard.at: Ist teures Wohnen, gerade im internationalen Vergleich, nicht auch ein Wesen einer Großstadt? Kann man das mit Regelungen verhindern?

Gretner: Das wäre die Aufgabe im geförderten Wohnbau. Hierbei sehe ich auch eine Qualität der Stadt Wien. Es gibt keine Segmentierungen, dass etwa in einem Bereich nur sozial Schwache wohnen, sondern eine gute Durchmischung. Der geförderte Wohnbau ist eine Mittelstandsförderung, jetzt wäre es an der Zeit für eine Parallelschiene.

derStandard.at: Einige würden Ihnen sicher widersprechen, wenn Sie sagen, dass es keine Segmentierung nach Wohngebieten gibt. Gibt es wirklich keine Gebiete in denen überwiegend sozial schwache MigrantInnen wohnen?

Gretner: Natürlich existieren Gegenden, in denen man eher nicht leben will, wenn man es sich leisten kann. An der Triester Straße zum Beispiel, weil es einfach laut ist. Es ist aber schon gelungen, dass im selben Viertel unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zusammenleben.

derStandard.at: Konflikte interkultureller Natur gibt es in manchen Gegenden mehr als in anderen. Tun sich die Grünen schwer, dass zuzugeben?

Gretner: Nein, da sind wir schon einen Schritt weiter. Wir sehen es nur immer eher positiv, dass Wien eine Stadt ist, die wächst. Man wirft uns immer vor, wir wären mehr für die Ausländer als für die Inländer. In letzter Zeit haben wir versucht ein bisschen deutlicher zu erklären, warum wir das Wachstum gut finden und als Chance sehen. Wir haben uns auch des Themas Bildung angenommen und gute Vorschläge entwickelt, wo wir eine bessere Betreuung für Bereiche mit höherem Migrationsanteil fordern.

derStandard.at: Was ist mit den Stadtteilen, in denen sich Sozial Schwache sammeln? Ist das ein Versäumnis der Stadtplanung?

Gretner: Natürlich suchen sich Sozial Schwache – und das liegt nicht unbedingt an ihrer Herkunft – einen Wohnort, den sie sich leisten können. Zuwanderer, die schon jemanden hier kennen, suchen sich natürlich dessen Wohnort als Anfangsstation. Aber sobald Migranten gut integriert sind und einen Job haben, werden sie dieses Viertel verlassen. Man muss sich eher Sorgen machen, wenn sie dort nicht wegkommen.

Die Gebietsbetreuungen leisten gute Arbeit, durch das mehrsprachige Angebot, die Leute in die Gesellschaft reinzuholen. Von planerischer Seite halte ich es für richtig in diese Gebiete zu investieren. Der Yppenplatz war ein gutes Beispiel. Man investiert in ein Gebiet und wertet es auf. Leider hat man dann vor kurzem EU-Gelder für eine neue Platzgestaltung bekommen, die planlos verbuddelt wurden.

derStandard.at: Der Yppenplatz ist ein gutes Beispiel für diese Durchmischung, die zwar propagiert wird, aber nicht passiert. Es sind da eigentlich zwei Welten, die parallel leben, eine migrantische und eine urban-österreichische. Muss man das so hinnehmen?

Gretner: Ich begrüße die Begegnungsräume, die es dort gibt. Die muss es auch geben, damit man sich kennenlernt. Ansonsten ist das eher eine soziale Frage. In der Schule kommt man einander nicht aus, dort findet Integration statt.

derStandard.at: Die Wiener Gasometer stehen wie Skelette da, rundherum und drinnen tut sich recht wenig. Sind das Fehlplanungen, oder hat man nachher zu wenig Geld und Energie reingesteckt?

Gretner: Die Gasometer sind eine Fehlplanung für mich. In so ein Gebäude geförderte Wohnungen reinzuzwängen ist nicht nachvollziehbar. Das war eine Fehlentscheidung. Es hat viel Geld gekostet, dort Wohnungen fragwürdiger Qualität zu bauen. Man hat den Leuten einen riesigen Park versprochen, dafür ist jetzt kein Geld da. Man hätte die großen Räume der Gasometer für Messen oder dergleichen nutzen können.

derStandard.at: Was auffällt ist, dass viele neue Projekte, wie etwa die Donauplatte, nicht sehr fußgängerfreundlich sind. Ginge das auch anders?

Gretner: Ja, beim Flugfeld Aspern gibt es zum Beispiel die Chance, es besser zu machen. Dort wird mit Sammelgaragen gearbeitet. Wenn der Fußweg zum Auto genauso lang ist wie zum öffentlichen Verkehrsmittel geht man eher zum öffentlichen Verkehrsmittel. Vor allem ist dann auch der Straßenraum belebt. Wenn man von der Tiefgarage direkt in die Wohnung fährt, braucht man sich nicht wundern, dass die Geschäfte im Erdgeschoß nicht gut besucht sind.

derStandard.at: Wenn man mit einigen U-Bahnlinien in die Peripherie von Wien fährt, merkt man, dass man auch zu Stoßzeiten fast alleine fährt. Gleichzeitig gibt es innerstädtische Buslinien, in denen man sich gegenseitig auf die Zehen steigt. Muss man die Öffi-Planung neu überdenken?

Gretner: Ja. Es gibt einen Verkehrsmasterplan in dem durchaus richtige Dinge drinnen stehen. Beispielsweise Straßenbahnverbindungen zwischen Floridsdorf und Donaustadt, Querverbindungen. Das scheitert schon jahrelang am Geld. Die U-Bahn ist natürlich attraktiv weil sie schnell ist, aber sie ist viel zu teuer. Gerade wenn sie nicht voll besetzt ist, rechnet sie sich sicher nicht. Da wäre eine Straßenbahn besser.

derStandard.at: Angenommen Sie haben nach der Wahl die Möglichkeit mitzuentscheiden. Was wäre eine -stadtplanerische – Herzensangelegenheit?

Gretner: Das spannende an Stadtplanung ist, dass sie Mächteverhältnisse abbildet. Diese Interessen werden von der Politik aber ungleich ausbalanciert. Es gibt die Baufirmen, die Bauwirtschaft, Investoren und Grundstückseigentümer auf der einen Seite, die Druck auf die Stadtregierung ausüben, und die Bevölkerung auf der anderen Seite. Letztere erfahren viel zu spät was eigentlich Sache ist, wehren sich zwar, allerdings chancenlos, weil alles schon ausgemacht ist. Das will ich ins Lot bringen und besser machen. Die Bevölkerung sollte informiert und gleichwertig eingebunden werden. Das ist eine der Aufgaben der Politik. Darin liegen auch Chancen, die Bewohner wissen am besten was das Gebiet verträgt.

Oder eine andere Sache: In München gibt es städtebauliche Verträge, die besagen, dass wenn eine Umwidmung passiert und es dadurch einen Planwertgewinn gibt, dann bekommen die Begünstigen nur ein Drittel und zwei Drittel gehen in die allgemeine Kasse für Infrastruktur. Das haben wir in Wien schon öfters angeregt, einige Investoren sind ebenfalls an diesen klaren Richtlinien interessiert.

derStandard.at: Die grünen Querelen der vergangenen Wochen in einzelnen Bezirken, woran liegt das?

Gretner: Wir haben sehr engagierte und emanzipierte Mitglieder. Bei uns werden die nicht bestimmt, sondern gewählt. Damit haben einige Schwierigkeiten. Wahlen sind aber ein demokratischer Prozess, deren Ausgang man akzeptieren muss.

derStandard.at: Ein paar persönliche Fragen zum Schluss: Öffis oder Fahrrad?

Gretner: Ich fahre zwar mehr Öffi, aber lieber Fahrrad.

derStandard.at: Schweizerhaus oder Naschmarkt?

Gretner: Schweizerhaus. Da kenn ich die Leute ganz gut. Am Naschmarkt ist in letzter Zeit so viel los.

derStandard.at: Fundi oder Realo?

Gretner: Ich bin fundamental in meinen Haltungen, aber pragmatisch wenn ich Dinge umsetzen will.

derStandard.at: Opposition oder Regierungsbeteiligung?

Gretner: Regierung. Eindeutig. (Anita Zielina, derStandard.at, 10.8.2010)