PR-Profi Wolfgang Rosam erklärt Eva Glawischnig im Lokal "Österreicher im MAK" , das Rosam einst besaß, wie sich die Grünen besser verkaufen ließen. Glawischnig goutierte nicht jeden Vorschlag.

Foto: DER STANDARD/Fischer

"So wie die Basisdemokratie derzeit ist, führt sie in eine Sackgasse."

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"Wollen Sie die Welt retten oder die Situation im Kindergarten ums Eck verbessern?"

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Als Reaktion auf die Querelen innerhalb der Wiener Landesparteigruppe kündigt die Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, im Standard-Sommergespräch an, die autonome Erstellung der Kandidatenlisten durch die Bezirksgruppen diskutieren zu wollen: „Wir werden uns neue Modelle überlegen. So wie die Basisdemokratie derzeit ist, führt sie in eine Sackgasse.“ Glawischnig verteidigt im Gespräch mit dem Lobbyisten Wolfgang Rosam die Wiener Grünen-Chefin Maria Vassilakou. Diese sei eine „extrem begabte Politikerin“.

Rosam moniert, die Grünen müssten „mehr Leadership zeigen“ und sich „überhaupt neu definieren“. Momentan glaube der Wähler, die Grünen wollten „die Welt retten und dann erst Ottakring“. Das sei jedoch die falsche Reihenfolge.

Über den Wechsel Stefan Schennachs von den Grünen zur Wiener SPÖ zeigt sich Glawischnig „verwundert“. Sie sei zwar nicht zornig, wie das Vassilakou formuliert hatte, habe dafür aber „überhaupt kein Verständnis“.

Schennach selbst bezeichnet seinen Gefühlszustand als „traurig und leer“. Die Grünen zu verlassen sei ihm nicht leicht gefallen. Er werde aber sicher keine Wahlkampf-Geheimnisse der Grünen weitergeben, das habe er „der SPÖ klar gesagt“.

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Standard: Maria Vassilakou hat gesagt, ihr Zorn aufgrund des Wechsels von Stefan Schennach zur SPÖ ist groß. Wie groß ist Ihrer?

Glawischnig: Zorn ist das falsche Wort, aber der Abgang war unsauber. Es gibt leider Menschen, denen eine Position oder ein Mandat wichtiger ist als ihre inhaltliche Überzeugung.

Standard: Herr Rosam, Sie haben zur Zeit der EU-Sanktionen gegen Schwarz-Blau die ÖVP beraten. Was ist Ihr Tipp für die Grünen?

Rosam: Das basisdemokratische Modell der Grünen gehört überdacht. Es ist tot. Außerdem interessiert es die Wähler überhaupt nicht, wie ihr eure Mandatare aufstellt. Die Österreicher wollen eine Partei mit Leadership. Wir sind ein an Autoritäten orientiertes Land. Es fehlen mir die Visionen bei den Grünen. Wie den Traum, für jeden Wiener suchen wir einen Quadratmeter Wiese.

Glawischnig: Für jedes Kind.

Rosam: Auch eine Idee. Das wäre ein Traum! Ihr träumt zu wenig.

Glawischnig: Dieser Sommer war alarmierend: die Katastrophe im Golf von Mexiko, in Pakistan, in Russland, all die Auswirkungen des Klimawandels, die auf einmal real werden. Die passende Grüne Vision gibt es.

Rosam: Ja, aber was macht ihr daraus? Die BP-Katastrophe hat dem dümmsten Ignoranten vor Augen geführt: So geht es nicht weiter. So ein Momentum darf sich ein Grün-Politiker nicht entgehen lassen.

Glawischnig: Bei diesem Ohnmachtsgefühl anzusetzen ist unsere Aufgabe. Der zweite Schritt, die Verhaltensänderung, ist schwieriger. Auch Österreich hängt am internationalen Öltropf. Wir haben den Schlachtruf "Raus aus Öl", um zu zeigen: Man muss die Energieversorgung umbauen.

Rosam: Das überfordert das Publikum aber. "Raus aus Öl" ist vielleicht plakativ, aber die Nachvollziehbarkeit endet da auch schon beim Hausmeister.

Glawischnig: Sie wollten doch mehr Träume!

Rosam: Zum Traum muss man aber auch die Machbarkeit liefern.

Glawischnig: "Raus aus Öl" kann man jeden Tag leben. Man muss sich nur ein Fahrrad kaufen oder mit den Öffis fahren.

Rosam: Aber ihr kommuniziert nicht, was der Einzelne davon hat. Die Argumentation bisher ist: Kauf eine Pelletsheizung, dann tust du was für den Umweltschutz. Besser wäre: Kauf dir eine Pelletsheizung und du wirst unabhängiger in der Energieversorgung. Das würde dem Bedürfnis nach Sicherheit voll entsprechen.

Glawischnig: Und es ist billiger. Vielleicht sollten wir den Kundennutzen weiter nach vorne stellen. Daran denken wir erst an zweiter Stelle. Wir reihen zuerst den Umweltschutz, das ...

Rosam: Sie wollen die ganze Welt verändern und dann erst Ottakring. Ich sage: Verändere zuerst Ottakring, dann ist es leichter die Welt zu ändern.

Glawischnig: Ich bin ja sehr zufrieden mit Ottakring. Da fällt mir ein schönes Beispiel für Integration ein: In dem Haus, in dem meine Wohnung ist, gibt es unten einen türkischen Greißler. Einer seiner Söhne hat eine Frau bedient, die Serbin war und mit ihr serbisch gesprochen. Sie hat gesagt:"Warum sprechen Sie meine Sprache?" Und er hat gesagt: "Gnä' Frau, wir sind in Wien." Übrigens hatten wir noch einen Slogan: "Pellets statt Putin".

Rosam: Ich unterstelle ja nicht, dass euch nichts einfällt, aber eure Kommunikation ist meistens viel zu soft oder zu intellektuell. "Pellets statt Putin" könnte durchaus eine tolle Kampagne sein.

Standard: Wie wäre es denn weniger soft?

Rosam: Um wahrgenommen zu werden, muss man auf einem Thema wochenlang und kampagnenmäßig draufbleiben. Die Grünen glauben, mit ein bisschen Pressearbeit hört sie schon jeder. Das funktioniert aber in unserer informationsüberfluteten Welt nicht.

Glawischnig: Breite Werbekampagnen können wir uns neben Wahlen nicht leisten. Aber es müssen uns geschicktere Werbemethoden einfallen. Da bin ich selbstkritisch. Nur weil ich etwas dreimal sage, merkt sich das keiner.

Rosam: Ihr sitzt auf den emotionalen Themen, die mehrheitsfähig sind, und macht nichts draus. Den Menschen ist nicht egal, was mit ihren Kindern oder der Umwelt passiert. Aber ihr gelangt mit eurem Kommunikationsstil nicht in das Herz der Leute. Manchmal habe ich den Eindruck, ihr seid zu hochmütig, um in diese Niederungen hinabzusteigen.

Glawischnig: Ich kann mir gut vorstellen, für bestimmte Kampagnen, wo es um den Inhalt geht, Geld zu sammeln.

Rosam: Etwa Fundraising für Themen. Eine Partei wie Ihre sollte viel aktionistischer auftreten.

Standard: Agieren die Grünen zu abgehoben, zu hochmütig?

Glawischnig: Ich glaube, bei den meisten der politischen Fragen haben wir die Mehrheit der Bevölkerung hinter uns. Wenn wir zum Beispiel sagen, bei den Kindern, bei Bildung zu sparen ist falsch.

Rosam: Ihr Politiker müsst von diesen Allgemeinsätzen wegkommen. Egal ob hier ein Roter, Schwarzer, Blauer oder Grüner sitzt, er wird immer sagen: Wir brauchen mehr Geld für Bildung, mehr Geld für Soziales. Diese Plattitüden können die Leute nicht mehr hören. Ihr müsst viel konkreter und nachvollziehbarer werden. Dazu braucht es in der Grünen-Dialektik eine andere Sprache. Ihr sprecht mittlerweile dieselbe Sprache wie die Politiker der anderen Parteien.

Glawischnig: Was heißt eine andere Sprache? Wir reden alle Deutsch (lacht).

Rosam: Sie wissen, wie ich das meine.

Glawischnig: Gut, also alles konkret machen? Mein Kind soll im Kindergarten nicht mit 25, sondern mit zehn Kindern in der Gruppe sein.

Rosam: Zum Beispiel. Mit so einem konkreten Ziel wäre der Druck der Öffentlichkeit ein anderer. Man muss eine persönliche Betroffenheit schaffen. Ihr müsst einen Weg finden, eure Ziele und Ideale mit den Befindlichkeiten der Bevölkerung in Einklang zu bringen. Viele erwarten von den Grünen mehr als von anderen Politikern.

Glawischnig: Es ist ja auch schön, dass an uns höhere Erwartungen gerichtet werden.

Rosam: Die Enttäuschung der Menschen kann bei Nicht-Erfüllung aber umso größer sein.

Glawischnig: Wir strengen uns ja an. Auf der anderen Seite ist uns nichts Menschliches fremd.

Rosam: Es braucht in der aktuellen Lage trotzdem ein Machtwort.

Glawischnig: Maria Vassilakou macht das gut. Ich hoffe, dass die Wiener Landesgruppe das hinkriegt.

Rosam: Die Vassilakou ist nett, aber reicht das?

Glawischnig: Sie ist eine extrem begabte Politikerin.

Standard: Nur sind Sie die Chefin. Der Satz "Nichts Menschliches ist uns fremd" ist verständlich, dennoch sind Sie verantwortlich für eine der fünf Parlamentsparteien.

Glawischnig: Die Partei möchte ich gerne sehen, wo, wenn jemand von einer anderen Partei gekauft wird, der Chef kommt und sagt, du bleibst jetzt da. Die steirische SPÖ hat sich gespalten, die in Kärnten ist mit drei Listen angetreten: Ist Werner Faymann jetzt ein schlechter Parteichef?

Rosam: Das Floriani-Prinzip nutzt Ihnen aber nichts.

Glawischnig: Eh nicht. Aber gewisse Dinge kann man nicht im Nachhinein ändern. Über die Listenproblematik werden wir diskutieren und uns neue Modelle überlegen. So wie die Basisdemokratie derzeit ist, führt sie in eine Sackgasse.

Rosam: Ihr müsst euch überhaupt neu definieren, und zwar spätestens nach der Wien-Wahl.

Glawischnig: Das ist jetzt Berater-Sprech. Was soll denn das konkret heißen? Ich seh schon: Glawischnig muss sich neu erfinden?

Rosam: Sie müssen die Positionierung, die Eigendefinition und vor allem die Wahrnehmung der Grünen ändern. Wenn das, was euch ausmacht, beim Wähler nicht ankommt, muss man es ändern. Man muss Sympathisanten sammeln.

Glawischnig: Wir haben Konzepte, die uns ausmachen. Wir sind auf jeden Fall ein Bollwerk gegen Rechts, jede Grenzüberschreitung wird von uns kompromisslos geahndet. Kernanliegen ist natürlich die Umwelt- und Klimaschutz-Thematik. Das ist eine positive Vision, sie verlangt aber auch viel ab. Menschen müssen hier ihren Lebensstil infrage stellen. Wenn alle so leben würden wie die Europäer oder die Amerikaner, braucht man mindestens einen zweiten Globus.

Rosam: Wollen Sie die Welt retten oder die Situation im Kindergarten ums Eck verbessern?

Glawischnig: Beides.

Rosam: Okay. Derzeit werdet ihr primär so wahrgenommen, dass ihr die Welt retten wollt. Das wird wohl positiv anerkannt, aber man glaubt nicht, dass ihr das, als Österreichs Grün-Partei, schaffen werdet. Also neigt der Wähler dazu zu sagen, ihr träumt vom Klimawandel, aber die unmittelbare Politik fehlt. Dabei könntet ihr, wie die zwei Wiener Bezirke gezeigt haben, durchaus abräumen.

Standard: Momentan stehen die Grünen dort nicht so positiv da.

Rosam: Ja, weil das basisdemokratische Prinzip die erfolgreiche Politik zerstört.

Glawischnig: Wir machen es uns nicht immer leicht. Wo wir regieren und arbeiten, wie in Oberösterreich, Graz oder Bregenz, bringen wir viel weiter.

Standard: Egal ob richtig oder falsch, die Bezeichnung "Chaostruppe" begleitet die Grünen seit Beginn. Wie könnte man diesen Stempel loswerden, Herr Rosam?

Rosam: Die Grünen müssen - wie jede andere Partei auch - Leadership zeigen. Die Menschen wollen Politiker, die ihre Partei im Griff haben und damit ihre Interessen vertreten können. Wenn man euch Chaos unterstellt, so müsst ihr das Positive daran herausstreichen und es als Stärke darstellen.

Glawischnig: Warum wird die ÖVP nicht als Chaostruppe bezeichnet, wo sich der Finanzminister noch nie gegen einen Landeshauptmann durchgesetzt hat? Die zeigen ihm die Nase. Von mir wird erwartet, dass ich in jeder Sitzung bei jeder Bezirksgruppe dabei bin und die Leute zu Ordnung ruf.

Rosam: Das Floriani-Prinzip haben Sie schon gern, oder?

Glawischnig: Nein, aber ich wünsche mir gleiche Maßstäbe. (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, Printausgabe, 4./5.9.2010)