"Der Müll wird weggeräumt, weil der ist schiach und stinkt, aber der Strom stinkt leider nicht".

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In Wien fahren sechs Prozent regelmäßig Rad, in Kopenhagen sind es 38.

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Muss es so sein, dass Städte kinderfeindlich sind? Wieso gibt es nicht mehr autofreie Stadtteile? Warum werden Glasdächer bei Neubauten nicht für Photovoltaik genützt? Wieso kann man seinen eigenen Stromverbrauch nicht einfach ablesen? Warum gibt es nicht mehr Passivhäuser? Und wie bringt man mehr Wiener aufs Fahrrad?

Diese und andere Stadtplanungs-Fragen wollen die Grünen im Wahlkampf thematisieren. Offensiv auf Themen und Inhalte setzen, statt über die Querelen zu debattieren, mit denen die Grünen in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen dominierten - das ist das Rezept einer Veranstaltungsreihe, die in den nächsten Wochen stattfindet. "Ein Kampf gegen die politische Floskel", stehe dahinter, wie die Wiener Grünen-Chefin Maria Vassilakou kommentiert.

"Was kommt wenn Grün kommt?", lautet die Grundfrage, was würde Rot-Grün in Wien bringen, was verändern? Den Anfang machte Grünen-Gemeinderat Christoph Chorherr zum Thema Stadtentwicklung, Verkehr und Energie. derStandard.at hat zugehört und die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

  • Muss es so sein, dass Städte kinderfeindlich sind?

"Für viele heißt es: Kind ist unterwegs, raus aus der Stadt". Der "Suburbanisationsschub" rund um große Städte sei aber "ein Desaster", verkehr- wie stadtplanungspolitisch. Die europäische Stadt sei „eine unglaubliche Errungenschaft der Zivilisation" - Aber man frage sich viel zu wenig, wie man jene Qualitäten, die Leute im Umland suchen, in die Stadt bringen kann, so Chorherr. Dabei gehe es um Begrünung bestehender Flächen, darum Lebensqualität zu steigern. Wohnbauten am Handelskai etwa, so ein grüner Kritikpunkt, lägen völlig abgeschirmt vom Donauufer. "Wie wäre es denn diese Trasse und Straße zu überbrücken und die Menschen näher an die Donau zu bringen?"

  • Wieso gibt es nicht mehr "autofreie Städte"? 

Ein Projekt, das es seit etwa zehn Jahren in Wien gibt, ist der autofreie Stadtteil in Wien-Floridsdorf. "Und das zeig ich darum her, weil es mich so ärgert", so Chorherr - "das funktioniert, die Menschen leben gerne dort, es gibt übrigens signifikant mehr Kinder als in normalen Siedlungen". Außerdem sei die Fahrradnutzung viel höher als im Wiener Durchschnitt. Dennoch sei es bei dem einen Pilotprojekt geblieben. "Die Stadt tut da einfach nichts". Stattdessen würde man Tiefgaragen unter Häuser bauen, so dass die Straßenzüge davor verwaisen und die Geschäftslokale eingehen, weil die Bewohner direkt ins Auto und damit zu "megalomanen Einkaufszentren" fahren, so Chorherr.

  • Warum werden riesige Glasdächer bei Neubauten nicht für Photovoltaik genützt? Und wieso kann man seinen eigenen Stromverbrauch nicht einfach ablesen?

Chorherr würde "Stromzähler in jedem Haus installieren. Überall dort, wo man das macht, geht der Stromverbrauch zurück, minus ein Drittel ist überhaupt kein Problem". Für die Verschwendung von Strom sei schlicht kein Bewusstsein da. "Der Müll wird weggeräumt, weil der ist schiach und stinkt, aber der Strom stinkt leider nicht". Auch in Sachen Photovoltaik sieht Chorherr Nachholbedarf. "Beim Praterstern-Vordach könnte man mittels Solarpanelen Strom erzeugen, oder beim Hauptbahnhof, das ist immerhin das größte Glasdach Österreichs."

  • Wieso gibt es nicht mehr Passivhäuser?

"Wir können heute Häuser bauen, die mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen", so Chorherr. "Wien ist die Großstadt mit den meisten Passivhäusern". Trotz der Erfolgsgeschichte werde hier viel zu zögerlich weiter ausgebaut.

  • Wie bringt man mehr Wiener aufs Fahrrad?

In Wien fahren sechs Prozent regelmäßig Rad, in Kopenhagen sind es 38. "Wenn jedesmal der Parkplatz wichtiger ist als der Fußgänger oder Radfahrer, dann wird sich das nicht ändern", so Chorherr. Aber: "Der Wiener ist nicht genetisch anders als der Kopenhagener, ändern kann man es." Eine der Ideen: Eine Art Radfahr-Nordosttangente, also eine Verbindung vom Nordwestbahnhof bis zur Donau, die dem Weg aufgelassener Bahnschienen folgen würde. So ein Art "Brigittenauer Hauptallee", erklärt der grüne Gemeinderat. Außerdem müssten die Citybikes und die zugehörigen Stationen deutlich aufgestockt werden.

Eine Frage, die immer wieder auftaucht: Auf wieviel Bequemlichkeit muss man im Sinne der Nachhaltigkeit verzichten? Was, wenn der Wiener gerne direkt unter seinem Haus die Tiefgarage hat und dann in die Shopping City Süd fährt? Prinzipiell, so Chorherr, nehme man den Leuten "ja nichts weg, sondern gibt ihnen Lebensqualität dafür." Aber: "Ja, wir muten den Leuten was zu". Das sei notwendig in einer Urbanitätsdebatte. (Anita Zielina, derStandard.at, 8.9.2010)