Eine 2010 veröffentlichte Auswertung von UN-Statistiken über 223 unabhängige Staaten und Territorien zeigt es; die Dezentralisierungsstudie der europäischen Union aus dem Jahr 2009 zeigt es; und die Schweizer beweisen es jeden Tag: Kleine politische Einheiten administrieren billiger als Große und geben ihren Bürgern bei weniger Bürokratie mehr Gesundheit, Einkommen, Wohlbefinden und Bildung. Gleiches gilt für Bundesstaaten gegenüber zentral verwalteten Staaten.

Trotzdem werden in Österreich die Rufe immer lauter, die Länderkompetenzen "zentral" zu vereinheitlichen und ihren Budgetspielraum zu kürzen. Ziemlich deutlich wird dabei den Ländern bornierte Kleingeistigkeit (Stichwort Fleckerltepppich) oder auch nur fehlende fachliche Ressourcen vorgeworfen.

Zugegeben, der österreichische Föderalismus ist kein Ruhmesblatt - weder aufseiten des Bundes, der schon immer Länderkompetenzen ausgehöhlt hat; noch aufseiten der Länder, die es sich in ihren versteinerten Strukturen allzu gemütlich machen (letzter Sündenfall war ihre geschlossene Ablehnung eigener Steuerhoheit, wie noch von der schwarz-blauen Koalitionsregierung vorgeschlagen).

Mein Einwand gegen zentralistische Arroganz ist ein anderer: Kleingeistigkeit, Dummheit und Korruption sind in großen (bzw. zentral geführten) Gemeinwesen keineswegs seltener anzutreffen als bei den Kleinen, können sich dort aber hinter eleganteren Bezeichnungen wie "Sachzwang" , "Umwegrentabilität" oder "legitime Gruppeninteressen" gut verstecken.

Augenschein und Realität

Die bessere Überschaubarkeit in kleinen Gemeinwesen erklärt auch ihre größere Effizienz: Wie der Begründer der Small-is-beautiful-Bewegung, Leopold Kohr, schon vor über 50 Jahren festgestellt hat, fallen dort die Missstände selbst dem dümmsten Bürger viel früher auf als bei den Untertanen großer Einheiten, können daher auch rascher und billiger korrigiert werden. Originalton Kohr: In einem Kleinstaat würde ein Hitler schon an der Lächerlichkeit seines ersten Auftritts scheitern.

Wer also die größere Unfähigkeit der Bundesländer behauptet, folgt nur einem sehr oberflächlichen Augenschein - und könnte genau so auch darauf beharren, dass die Erde eine Scheibe und Wien ihr Mittelpunkt ist, weil es von den Höhen des Kahlen- und Küniglbergs gesehen genau so ausschaut.

So schlecht unser Föderalismus heute auch sein mag, sein Ersatz durch noch mehr Zentralismus wäre somit blanker Irrsinn - und das gilt ganz besonders, wenn man sich den real existierenden und nicht minder reformresistenten Zentralismus Österreichs vor Augen führt.

Wer das trotzdem fordert, ist lernunwillig oder versteckt seine wahren Interessen.

Bürgernähe und Subsidiarität findet man nicht, wo "Oben" sagt, was es nicht braucht; sondern wo "Unten" sagt, was es nicht kann. Und solange nicht Idealmenschen vom Himmel steigen, ist die wahre Alternative zu einem hatscherten Föderalismus ein gesunder Föderalismus und nicht ein hatscherter Zentralismus. (Michael Breisky, DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.11.2010)