Außenminister eines isolierten Landes: Eduard Nalbandian führt Armeniens Diplomatie. Die Grenzen der Kaukasusrepublik zur Türkei und zu Aserbaidschan sind geschlossen.

Foto: Armenisches Außenamt

Standard: Haben Sie sich an die Idee gewöhnt, dass Österreich seine einzige Botschaft im Kaukasus in Baku eröffnet hat?

Nalbandian: Wenn ich sage, ich bin sehr glücklich darüber, würden Sie mir glauben? Nein. Wir haben unsere Botschaft in Wien vor vielen Jahren eröffnet. Es war eine der ersten nach der Unabhängigkeit. Ich denke, es ist höchste Zeit für Österreich, dies zu beantworten und eine Vertretung in Eriwan zu eröffnen. Unsere Beziehungen müssen auf eine viel höhere Ebene angehoben werden. Das ist das Ziel.

Standard: Die frühere Außenministerin Ursula Plassnik bewirbt sich um das Amt des Generalsekretärs der OSZE. Wird Armenien sie unterstützen?

Nalbandian: Wir haben noch keine Entscheidung über die Kandidaten getroffen. Doch was den türkischen Bewerber anbelangt, haben wir erklärt, dass wir ihn nicht unterstützen können. Türkische Vertreter in verschiedenen internationalen Organisationen lassen keine Gelegenheit aus, gegen Armenien Stellung zu beziehen.

Standard: Das heißt für Frau Plassnik und die anderen Kandidaten?

Nalbandian: Das heißt, dass eine oder einer der anderen Kandidaten von uns unterstützt werden kann.

Standard: Sie werden Ihre Wahl einengen?

Nalbandian: Das werden wir tun, sehr bald schon.

Standard: Sie haben die Zürich-Protokolle unterzeichnet, mit denen die Beziehungen zwischen Armenien und der Türkei normalisiert werden sollten, trotz Protesten in Ihrem Land und innerhalb der Diaspora. Wie sehr frustriert es Sie, dass die Türkei die Ratifizierung der Protokolle auf Eis gelegt hat?

Nalbandian: Einige Leute, auch in Europa, haben kein Vertrauen in die türkische Seite. Sie sind der Ansicht, dass die Türkei das eine sagt und etwas anderes tut. Der Verhandlungsprozess mit der Türkei war lang, schwierig und voller Hindernisse. In Davos hatten wir zum Beispiel 35 Stunden Verhandlungen mit dem damaligen türkischen Außenminister Ali Babacan. Am Ende haben wir eine Übereinkunft erreicht und die Protokolle in Zürich im Oktober 2009 unterzeichnet - im Beisein von Vertretern der Schweiz, der USA, Russlands, Frankreichs, der EU, des Europarats. Sobald sie unterzeichnet waren, hat die Türkei Bedingungen für die Ratifizierung gestellt.

Standard: Was, glauben Sie, ist auf türkischer Seite geschehen?

Nalbandian: Sie müssen sie wahrscheinlich selbst fragen. Vielleicht ist gar nichts geschehen, und jene, die sagen, man kann der Türkei nicht vertrauen, haben nun ein Argument.

Standard: Wie können die Zürich-Protokolle wiederbelebt werden?

Nalbandian: Es gibt nur einen Weg, nicht mehrere. Wir haben die Protokolle unterzeichnet, wir müssen sie ratifizieren und umsetzen - ohne Vorbedingungen und entsprechend dem Prinzip "Pacta sunt servanda".

Standard: Wird das möglich sein, wenn die Parlamentswahlen in der Türkei im Juni vorbei sind?

Nalbandian: Nach den Parlamentswahlen wird es andere Wahlen geben. Man kann immer einen Grund finden, um die Ratifizierung aufzuschieben. Ich glaube, die türkische Gesellschaft unterstützt heute stärker die Idee einer Normalisierung mit Armenien. Sie ist auch offener, was die Vergangenheit angeht. Der Beginn der Verhandlungen und die Unterzeichnung der Protokolle haben neue Fenster geöffnet. Am 24. April vergangenen Jahres sind zum ersten Mal Menschen in den türkischen Städten zusammengekommen, um des Tages des armenischen Genozids zu gedenken. Mehr als 30.000 türkische Bürger haben eine Petition unterschrieben, die das armenische Volk um Vergebung bittet.

Standard: Welche Bedrohung ist der nun mehr als 25 Jahre alte Konflikt um Karabach für die Region?

Nalbandian: Die aserbaidschanischen Behörden geben fast täglich kriegerische Erklärungen ab und unternehmen provokative Aktionen. Innerhalb nur eines Jahres verdoppelten sie ihr Militärbudget, und sie lehnen Vorschläge der internationalen Gemeinschaft für ein Gewaltverzichtsabkommen ab. Ich glaube nicht, irgendjemand könnte ein solches Verhalten nicht als Gefahr betrachten.

Standard: In welchem Maß trägt autoritäres Regieren zur Instabilität im Südkaukasus bei?

Nalbandian: Ich würde vorsichtiger sein mit Vergleichen von Ländern in der Region. Armenien ist eine sich entwickelnde Demokratie, Aserbaidschan ein sich entwickelndes autoritäres Regime. (Markus Bernath, STANDARD-Printausgabe, 01.03.2011)