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"Einer Minderjährigen Silikonimplantate einzupflanzen ist fahrlässig", sagt Wolfgang Metka.

Foto: REUTERS/Yuriko Nakao

Schöne Menschen haben es angeblich leichter im Leben. Laut Attraktivitätsforschung haben sie Vorteile in der Schule, bei Stellenbewerbungen, Lohnverhandlungen und Gerichtsprozessen - sowie auch bei der Partnersuche. Schönes wird - wenn auch meist unterbewusst - mit Positivem assoziiert. Warum sich also nicht ein Stück vom Kuchen nehmen, wenn es möglich ist? Längst wurde das Korsett als Mittel zur Schönheitsoptimierung vom Skalpell abgelöst.

Nur wenige Schnitte trennen den Wunsch von der Realität. Geschätzte 40.000 bis 80.000 ÖsterreicherInnen legen sich jährlich im Namen der Schönheit unters Messer, die Tendenz steigt. Auffallend ist: Das Publikum wird jünger. "Noch vor 15 Jahren waren die meisten Patienten zwischen 50 und 60 Jahren, jetzt sind sie zwischen 18 und 38", sagt Wolfgang Metka, Facharzt für plastische Chirurgie in Wien. Am häufigsten werden Nasen- bzw. Profilkorrekturen und Brustvergrößerungen vorgenommen, auch Lidkorrekturen, Faceliftings und Fettabsaugungen rangieren im vorderen Bereich.

Schönheit als Geschenk

In Österreich kann sich rund ein Viertel vorstellen, einen kosmetischen Eingriff vornehmen zu lassen, Frauen häufiger als Männer. Mit steigendem Alter sinkt die Bereitschaft für Schönheits-OPs: So kann sich knapp ein Drittel der 20- bis 39-Jährigen, aber nur mehr ein Zehntel der über 60-Jährigen einen Eingriff für die Schönheit vorstellen. Das ergab eine Online-Umfrage des Markt- und Meinungsforschers Marketagent.com in Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Bereits Mädchen und Buben sind kosmetischen Eingriffen nicht abgeneigt. Jedes fünfte Kind zwischen neun und 14 Jahren wünsche sich laut Zahlen aus Deutschland eine Schönheitsoperation. Dabei handelt es sich längst nicht mehr nur um abstehende Ohren, die korrigiert werden sollen.

Rund ein Zehntel aller ästhetisch-plastischen Operationen werden an unter 20-Jährigen vorgenommen. Die neue Nase als Geschenk zur bestandenen Matura ist mittlerweile auch in Österreich keine Seltenheit mehr. "Kürzlich war ein junger Mann in meiner Ordination, der sich eine Nasenverkleinerung wünscht und das von seiner Mutter zur Matura bezahlt bekommt. Für mich spielt es keine Rolle, welchen Anlass jemand nutzt, um eine Operation machen zu lassen", so Metka. Eine Schönheits-OP als Geschenk sei für den ästhetischen Chirurgen kein Problem, solange der Wunsch vom Beschenkten ausgehe. "Ich habe allerdings in meiner bisherigen Karriere noch nie erlebt, dass eine OP die Idee des Schenkers gewesen wäre" ist der plastische Chirurg überzeugt.

Psychische Belastung

Schönheitsoperationen sind in den letzten Jahren salonfähig geworden. Leugneten früher Prominente noch, sich einem Eingriff unterzogen zu haben, stehen heute viele dazu. Die Hemmschwelle ist gesunken. Minderjährige dürfen in Österreich unter 18 Jahren nur mit der Einwilligung eines Erziehungsberechtigten operiert werden. Von den Krankenkassen werden jene Eingriffe bezahlt, die medizinisch indiziert sind, das heißt, wenn sie der Beseitigung anatomischer oder funktioneller Krankheitszustände dienen - wie im Falle von Brustverkleinerungen aufgrund von Rückenbeschwerden oder dem Brustaufbau nach Tumoroperation. Auch das häufig praktizierte operative Anlegen von abstehenden Ohren, das meist im Vorschulalter gemacht wird, erachten Ärzte bei einem Großteil der jungen Patienten als notwendig, da Kinder aufgrund von Hänseleien oft stark psychisch belastet sind. Rekonstruktive Maßnahmen, etwa die Narbenentfernung nach Unfällen, können ebenfalls als Krankenbehandlung gelten.

Klassische ästhetische Eingriffe - wie Brustvergrößerungen, Nasenkorrekturen oder Fettabsaugungen - werden in der Regel nicht von den Kassen bezahlt. Die Grenze, wann ein Eingriff medizinisch notwendig ist und wann nicht, ist eine schwammige, denn wenn auch keine körperliche Einschränkung vorliegt, können Betroffene massive psychische Probleme mit einem bestimmten Körperteil haben. "Ich finde die Unterscheidung in 'nötiger Eingriff' und 'unnötiger Eingriff' eine Frechheit. Bestimmen sollen die Patienten selbst, ob ein Eingriff notwendig ist und nicht jemand anderer, weder der Partner, die Eltern noch der Arzt oder eine staatliche Institution", sagt Metka verärgert. "Eine Brustvergrößerung bei einer Frau, die sich im Leben zu kurz gekommen fühlt, soll eine Luxusoperation sein? Ich bin kein militanter Feminist, aber so etwas finde ich nicht gerecht."

Was die Kosten für die Operationen betrifft, müssen PatientInnen oft tief in die Tasche greifen: Eine Brustvergrößerung kostet rund 5.000 Euro, Nasenkorrekturen sind je nach Aufwand preislich zwischen 2.000 und 8.000 Euro angesiedelt. Schönheit hat eben ihren Preis - viele sind bereit ihn zu bezahlen.

Körper in Wachstum

Neben den Kosten sind mit einem ästhetischen Eingriff auch Risiken verbunden, insbesondere bei minderjährigen Personen. Kosmetischer Eingriffe können für die Jugendlichen unschöne Folgen haben: Befinden sich PatientInnen noch im Wachstum, sind die Entwicklungen unvorhersehbar. "Einer Minderjährigen Silikonimplantate einzupflanzen ist fahrlässig", betont Metka. Wächst die Brust dann weiter, kann ein unerwünschtes Resultat entstehen. Ähnliches gilt für andere Körperteile; die zu früh operierte perfekte Nase kann sich durch das Wachstum deformieren, der Körper sich durch Hormonumstellungen verändern. So seien auch Eingriffe wie die Entfernung einer Männerbrust (Gynäkomastie, Anm.) während der Pubertät wenig sinnvoll, weil sich das Problem in den meisten Fällen von selbst wieder löse. "Chirurgie bedeutet ja nicht nur operieren, sondern auch von einer Operation abzuraten, wenn sie nicht sinnvoll ist", so der Chirurg. Er selbst rate im Durchschnitt drei von vier Patienten von einem Eingriff ab. Für abgewiesene Patienten scheint ein Blick über die Landesgrenzen Österreichs hinweg auf den ersten Blick verlockend - nicht nur aufgrund finanzieller Aspekte, auch die Alterskontrolle wird oft nicht so genau genommen. "Ich habe junge Menschen gesehen, die zu früh operiert wurden - ich rate es niemandem", so Wolfgang Metka.

Ein Risiko besteht aber nicht nur im Zuge ästhetischer Eingriffe bei Minderjährigen. Jeder chirurgische Eingriff, ob medizinisch indiziert oder nicht, ist mit einem Restrisiko verbunden, Komplikationen bis hin zum Herzstillstand kann es immer geben, auch ohne dass den Arzt eine Schuld trifft.

Ärztecheck

Schönheits-OP-Interessierte sollten bei der Suche nach dem zukünftigen Arzt einen genauen Blick auf dessen Ausbildung werfen. "Jeder praktische Arzt, der im Rahmen seiner Ausbildung gerade einmal drei Monate in der Chirurgie verbracht hat, darf Brustvergrößerungen und sonstige Schönheitsoperationen durchführen", kritisiert Metka den Istzustand. Mit einem Mediziner der die Facharztausbildung Chirurgie, besser noch plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie absolviert hat, seien Patienten gut beraten. (Ursula Schersch, derStandard.at, 11.05.2011)