Plattentektonik
Kontinentverschiebung und Gebirgsbildung
Wolfgang Frisch, Martin Meschede

Primus-Verlag
4., überarbeitete Auflage 2011, 196 S. mit 183 Abb., gebunden
Format 21,0 x 27,0 cm
ISBN 978-3-89678-744-6
39,90 €

Foto: Primus-Verlag

230.000 Tote nach dem Tsunami im Indischen Ozean im Jahr 2004, zerstörte Atomreaktoren in Japan im Jahr 2011, mehr als 300.000 Tote nach einem Beben in Haiti, hunderte Tote und eine verschobene Erdachse durch ein Beben in Chile und wochenlanges Chaos im Flugverkehr in Europa nach dem Ausbruch eines isländischen Vulkans im Jahr 2010. Die Katastrophenmeldungen in den Medien wurden in den vergangenen Jahren beinahe schon zur Routine.

Auch wenn vielleicht das Gefühl sagt, dass eine Häufung von Naturkatastrophen zu beobachten ist: zumindest was Ereignisse mit geologischer Ursache betrifft, lässt sich das wissenschaftlich nicht bestätigen. Zwar ereigneten sich vier der zehn stärksten jemals gemessenen Erdbeben in den Jahren nach dem Jahrtausendwechsel, doch der Zeitraum seit Beginn der Messungen ist zu kurz, um daraus eine außergewöhnliche Häufung abzuleiten.

Dass die Erde ständig in Bewegung ist, ist keine große Neuigkeit, doch wie funktionieren die Vorgänge in Erdmantel und Erdkruste genau? Wie bei allen Themen mit erhöhter medialer Aufmerksamkeit, bei denen eine gewisse Halbbildung weit verbreitet ist, bieten auch die tektonischen Katastrophen eine Spielwiese für Verschwörungstheoretiker. So wurde nach dem Beben in Haiti von einer Politologin einer österreichischen Universität die USA mit dem Forschungsprogramm "HAARP" als Verursacher genannt.

Um derartigen absurden Theorien der Esoterikszene die Grundlagen zu entziehen, empfiehlt sich eine Auseinandersetzung mit den geologischen Tatsachen. Dass Erdbeben entstehen, wenn Platten der Erdkruste aneinanderreiben oder sich eine über eine andere schiebt, lernt jedes Kind schon in der Schule. Doch die dahinterstehenden Mechanismen, die die Platten in Bewegung setzen, sind weitaus komplexer und verdienen eine genauere Betrachtung.

Der Band "Plattentektonik" der deutschen Geologen Wolfgang Frisch und Martin Meschede bietet diesbezüglich einen umfassenden Überblick über die vergleichsweise junge Wissenschaft der Plattentektonik, die sich erst seit den Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aus der Kontinentverschiebungstheorie Alfred Wegeners entwickelt hat. Detailliert werden die Vorgänge beschrieben, die die Kontinentaldrift antreiben und die Phänomene, die an den verschiedenartigen Plattenrändern und innerhalb der Platten auftreten, wie Mittelozeanische Rücken, Subduktionszonen, Grabenbrüche und heiße Flecken systematisch erklärt.

Durch zahlreiche Karten und Graphiken wird dabei das Geschehen unter der Erdoberfläche greifbar gemacht. Die Autoren führen auch auf eine Zeitreise durch die Erdgeschichte, durch die Vergangenheit genauso wie in die Zukunft - von den Superkontinenten Rodinia, Gondwana und Pangäa zu einem künftigen, den Großteil der Landmassen umfassenden Superkontinent, wenn sich in geologisch naher Zukunft der Atlantik wieder schließt.

Und ganz nebenbei erfährt der Leser, warum das Matterhorn aus Afrika stammt und was Gebirgsbögen möglicherweise mit Warm- und Kaltfronten des Wetters zu tun haben. (Michael Vosatka, derStandard.at, 14.8.2011)