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Protest gegen Delogierungen im Stadtteil Parla

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Die Demonstranten fordern eine Reform des Hypothekengesetzes

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Die Polizisten, die am Donnerstagmorgen im Madrider Stadtteil Tetuan den libanesischen Immigranten Anuar Kalli (45) delogieren sollten, trafen auf unerwarteten Widerstand: die 45-Quadratmeterwohnung war voller Demonstranten. Auch auf der Straße vor dem Gebäude hatten sich etwa 500 Menschen versammelt, um die Zwangsräumung zu verhindern.

Die Bank hatte Kallis Wohnung vor Jahren auf 269.000 Euro geschätzt und ihm deswegen einen Kredit in Höhe von 215.000 Euro und ein weites 35.000-Euro-Darlehen zur Unternehmensgründung eingeräumt. Als der mittlerweile arbeitslose Bäcker die Raten nicht mehr bezahlen konnte, sollte das Objekt zwangsversteigert werden.

700.000 leerstehende Wohnungen

Da allerdings in Spanien nach dem Platzen der Immobilienblase über 700.000 neugebaute Wohnungen leerstehen, fand sich kein Interessent. Das spanische Hypothekengesetz sieht in solchen Fällen vor, dass das Objekt zur Hälfte des Rufpreises an die Bank verfällt. Kalli hat also keine Wohnung mehr, schuldet der Bank aber über 200.000 Euro.

Obwohl die Polizei eine Stunde vor der geplanten Räumung anrückte, hatten sich bereits etwa 30 Personen vor dem Gebäude versammelt. Die Beamten kontrollierten Ausweise und drohten mit Platzverweisen, als sie von etwa 500 Menschen, die sich auf Facebook vor der nahegelegenen U-Bahn-Station Tetuán verabredet hatten, umringt wurden.

Unter Sprechchören wie "Que pasa, que pasa, que no tenemos casa" oder "Anuar, amigo, estamos contigo" mussten die Polizisten unverrichteter Dinge abziehen.

Am Mittwoch hatten Demonstranten im Stadtteil Parla eine Delogierung verhindert. Der 74-jährige Luis Dominguez, der seit einem Unfall auf Krücken angewiesen ist, hatte vor drei Jahren einen 180.000-Euro-Kredit für die Anschaffung seiner Wohnung aufgenommen. Dominguez schuldet der Bank noch 145.000 Euro. Diese will ihn jetzt delogieren und verlangt dazu 90.000 Euro.

Zu Boomzeiten vergaben die spanischen Banken Kredite in Höhe des Schätzwertes der belehnten Immobilie. Da die Preise eingebrochen sind, reicht der Verkaufswert der Immobilien selten aus, um die Schulden zu bedienen. Laut Aktivisten werden in Spanien täglich 278 Wohnungen zwangsgeräumt, in den ersten vier Monaten dieses Jahres waren 15.450 Familien betroffen.

Die Aktivisten, die seit Wochen auf der Madrider Puerta del Sol demonstrieren, fordern nun eine Reform des Hypothekengesetzes nach US-Vorbild: dort gilt laut "Guardian" eine Wohnungshypothek als abbezahlt, wenn man der Bank die Schlüssel der Immobilie übergibt. (derStandard.at, 17.6.2011)