In Blau gehüllte Wasserwesen am Anfang aller Zeiten.

Foto: Roland Renner

Wien - Am Anfang war ... Ja, was eigentlich? Dunkelheit? Chaos? Oder doch das binäre Zahlensystem als Basis unserer Computer?

Urzeitlich geht es zu auf der in Nebelschwaden getauchte Bühne des Kasinos, Wasserwesen wachsen zu einem Chor zusammen, stellen die biblische Erschaffung der Welt ausdrucksstark dar. An den Seiten sitzen drei Jugendliche vor Bildschirmen und richten sich ihre Welt ein. Und fragen sich: Warum soll Gott ein Mann sein?

Der Skating Amadeus Chor aus Graz in Kooperation mit Next Liberty bringt ein außergewöhnliches Projekt vierstimmig und äußerst lebendig zu einer umjubelten Aufführung: Joseph Haydns Oratorium Die Schöpfung in multimedialer szenischer Gestaltung.

Regisseurin Marguerite Dunitz-Scheer legt dem Schöpfungsakt eine wechselseitige Wahrnehmung mit der Jetztzeit inne. Engel treten in Interaktion mit Jugendlichen, die sich in Chatrooms vergnügen. Deren Zusammenspiel hätte manchmal intensiver und harmonischer sein dürfen. Überzeugend die Gesangsleistung der Solisten: Wiebke Wiesler als himmelhochjauchzender Sopran; Richard Tamas als erhabener Tenor; Bass Josef Schuster mit Tiefgang.

Für die Teenager hat die äußere Welt wenig Bedeutung: Sie lieben ihre sorgenfreie Scheinwelt. Ein Thema tritt auf, mit dem sich Jugendliche nicht nur am Theater auseinandersetzen: dem Zurechtkommen bzw. Changieren zwischen Virtuellem und Realem. Welchen Platz kann hier Religion noch einnehmen?

Das Musikensemble aus Chor und Orchester ist perfekt aufeinander abgestimmt. Haydns Schlussgesang in einer Jugendfassung mit Jazz- und Gospelelementen hinterlässt starken Eindruck. Aus der Sing-Truppe aus Jung und Älter, nun in allen Farben der Welt, tanzen Kinder aus der Reihe und sorgen für das Unkontrollierte, das nicht im Widerspruch zur Schöpfung steht. Bravo!  (Sebastian Gilli/ DER STANDARD, Printausgabe, 25./26.6.2011)