Gabriele Gerra macht Ihren Job seit 30 Jahren

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Seit rund 30 Jahren steigt Gabriele Gerra in die Lüfte, wenn sie arbeitet. Dass Flugbegleiter mehr sind als die netten Menschen, die im Flieger Tomatensaft servieren, wird schnell klar, wenn sie über ihren Beruf erzählt. Der Job bringt sehr viel Verantwortung mit sich, schließlich geht es um die Sicherheit der Passagiere. Gabriele Geras Credo ist Lächeln und eine gesunde Portion Charme, richtig streng wird sie aber, wenn Gäste sich aufgrund zu hohen Alkoholkonsums daneben benehmen.

derStandard.at: Ist der Begriff "Stewardess" noch in?

Gerra: Nein, der ist schon sehr veraltet. Eine Zeitlang hieß es dann cabin attendant. Jetzt sagt man Flugbegleiter oder Flugbegleiterin. 

derStandard.at: Wie gehen Sie mit der ständigen Zeitumstellung um?

Gerra: Bodymanagement: Der Körper gewöhnt sich mit der Zeit an diese Unregelmäßigkeiten. Richtung New York funktioniert die Anpassung gut, weil man im Westen leichter aufstehen kann. Richtung Osten ist es schwieriger, da schläft man meist länger in der Früh. 

Klar ist es manchmal hart, die ganze Nacht zu arbeiten. Aber es wäre für mich noch härter, jeden Tag zur gleichen Zeit aufstehen zu müssen. Die Unregelmäßigkeit muss man halt lieben. Für mich wäre nichts schlimmer, als jeden Tag zur gleichen Zeit am gleich Ort sein zu müssen und die gleichen Leute zu sehen. 

derStandard.at: Sie fliegen nicht immer in einer ähnlichen Crew-Konstellation?

Gerra: Die Crew wird jedes Mal aus dem Pool von rund 1.900 Flugbegleitern neu zusammen gewürfelt. Das heißt, ich muss mich immer auf ein neues Team einstellen. 

derStandard.at: Es fällt auf, dass es immer mehr Männer in Ihrem Beruf gibt.

Gerra: Zum Glück, gemischte Teams sind gut für die Zusammenarbeit. Als ich begonnen habe, waren ausschließlich Frauen in der Kabine. Ende der 80er kamen die ersten männlichen Flugbegleiter. Heute gibt es auch Pilotinnen. Auch mit sexueller Orientierung wird bei uns sehr offen umgegangen.

derStandard.at: Wie lange muss man Kurzstrecken fliegen, um die interessanten Langstrecken zu bekommen?

Gerra: Man kann nicht sagen, das eine ist besser als das andere. Es gibt Kollegen, die lieber Kurzstrecke fliegen. Auf Wünsche wird eingegangen, aber es kommt auf den Bedarf und die Erfahrung an. Es ist sinnvoll, am Anfang auf Kurzstrecken Erfahrung zu sammeln, bei einem Flugzeug sattelfest zu sein.

Ich selbst fliege Kurz- und Langstrecke. Bei den Langstrecken sind die Stopps manchmal kürzer, manchmal länger. Das ist toll, weil man schon viel von der Welt sieht. Wenn man allerdings Vollzeit fliegt, will man gar nicht mehr überall aussteigen. Irgendwann will man auch zuhause sein. 

derStandard.at: Welche Position haben Sie im Team? 

Gerra: Ich bin Purser Cabin Member. Diese Position gibt es nur für die Langstrecke mit zusätzlichen Funktionen und Hauptverantwortung in der Kabine. Zusätzlich bin ich auch noch Flying Supervisor und im Flight Safety Training, das alle Flugbegleiter und Piloten werden einmal im Jahr absolvieren müssen, als Crew Ressource Management Trainerin tätig.

Außerdem habe ich mit über 40 Jahren noch die Psychotherapieausbildung begonnen. Ich brauche immer wieder eine neue Herausforderung. Es gibt einige Aufstiegsmöglichkeiten für Flugbegleiter.

derStandard.at: Wie funktioniert die Vereinbarkeit mit dem Privatleben?

Gerra: Wir arbeiten zu jeder Tages- und Nachtzeit, am Wochenende, an Feiertagen, zu Weihnachten, zu Silvester. Da können schon Konflikte aufkommen. Es hat auch etwas Gutes: Dem Weihnachtsstress habe ich mich jahrelang entzogen. Aber der Unregelmäßigkeit sollte man sich bewusst sein, bevor man sich für den Beruf entscheidet. 

Der Partner muss Verständnis dafür haben. Mein Mann erwartet nicht, dass ich die Milch am Sonntag aus New York mitbringe, weil er es selbst nicht geschafft hat. Zugegeben, mein Privatleben hatte viele Ups und Downs. Ich bin das dritte Mal verheiratet. Einmal mit einem Piloten, mit dem habe ich ein Kind. 

derStandard.at: Piloten ist also nichts verboten?

Gerra: (Schmunzelt) Tja, so eine Beziehung liegt natürlich nahe. Nicht zuletzt ist es auch gescheit wegen des Verständnisses für den anderen.

derStandard.at: Flugbegleiterin galt früher als Traumberuf junger Frauen. Ist es auch Ihrer? 

Gerra: Für mich schon, ich bin glücklich, dass mir meine Arbeit nach 30 Jahren noch immer Spaß macht. Der Job hat noch immer ein gewisses Flair, aber Fliegen ist ein Massentransportmittel geworden. Früher war Fliegen seltener und elitärer. 

derStandard.at: Was muss ich können, wenn ich Flugbegleiterin werden will?

Gerra: Eine positive Einstellung ist Voraussetzung, genauso wie ein gewisser Charme. Man muss sich schon bewusst sein, dass es sich um einen Dienstleistungsberuf handelt. Flexibilität und Neugier sind wichtig. Englisch muss sowieso sein, aber viele Kollegen können bis zu vier, fünf Sprachen. Je mehr Sprachen und kulturelle Backgrounds desto besser. Wir müssen die Vielfalt unserer Passagiere repräsentieren. Menschenkenntnis erwirbt man im Laufe der Jahre.

derStandard.at: Wie gehen Sie mit lästigen Fluggästen um?

Gerra: Das ist Professionalität. Oft benehmen sich Leute auffällig, weil sie Flugangst haben. Die brauchen wie ein Kind ein paar Streicheleinheiten mehr. Streng bin ich, wenn es um die Sicherheit geht. Aber lästig, im Sinn von sozial lästig, ist kein Problem für mich.

derStandard.at: Wie reagieren Sie auf übermäßigen Alkoholkonsum der Fluggäste?

Gerra: Wenn es ganz schlimm ist, spreche ich ein Alkoholverbot aus. Meist kommen alkoholisierte Passagiere aber gar nicht zum Gate herunter, weil sie vorher abgefangen werden. Falls doch, muss man den Mumm haben, sie anzusprechen und das auszudiskutieren. Es ist auch schon vorgekommen, dass ich oder ein Pilot jemandem den Zutritt zum Flugzeug verweigert haben.

derStandard.at: Sie sind seit 30 Jahren Flugbegleiterin: Was waren die außergewöhnlichsten Erlebnisse?

Gerra: Besonders war ein Staatsbesuch mit dem damaligen Bundespräsidenten Waldheim in Jordanien. Da wurde der rote Teppich für uns ausgerollt. Vergangenes Jahr bin ich mit dem japanischen Prinzenpaar geflogen. Lustig war ein Flug nach New York mit Otto Schenk. Geflogen bin ich auch mit Friedrich Dürrenmatt, Curd Jürgens, der gesamten Jedermann-Besatzung, vielen Opernstars und den Philharmonikern.

derStandard.at: Mussten Sie jemals Parfüm selber kaufen?

Gerra: (Schmunzelt) Früher nie, das habe ich immer von Fluggästen geschenkt bekommen. (Marietta Türk, derStandard.at, 18.7.2011)