Die ungewohnt scharfe Kritik des irischen Premiers Enda Kenny am Vatikan schürt neue Zweifel am Umgang der katholischen Kirche mit dem brisanten Thema Missbrauch. Noch vor drei Jahren habe der Heilige Stuhl versucht, "in einer souveränen Republik Untersuchungen zu behindern", kritisierte der Regierungschef.

Dass die Kirche in den vergangenen Jahren eine Wende vollzogen hat, steht außer Zweifel. Doch der Report über die irische Diözese Cloyn legt erneut offen, welche Ausmaße Vertuschung, Verharmlosung und Beschwichtigung bei Missbrauchsfällen erreicht haben.

Auch wenn Joseph Ratzinger als Papst die Regeln für den Umgang mit Pädophilie-Fällen verschärfte und sich mehrmals mit Opfern traf, konnte der Vatikan den Vorwurf nie entkräften, er habe als Vorsitzender der Glaubenskongregation den Bischöfen Stillschweigen nahegelegt. In dem 2005 bekannt gewordenen Schreiben seien kirchliche Würdenträger angewiesen worden, alle Voruntersuchungen zu Missbrauchsanschuldigungen direkt an Ratzinger weiterzuleiten. "Es gab in der ganzen Kirche keinen einzigen Mann, der so viel über Missbrauchsfälle wusste, und zwar ex officio, von seinem Amte her", so Theologe Hans Küng.

Vatikan-Sprecher Federico Lombardi wies die Angriffe umgehend zurück und will "auf die schweren Vorwürfe der irischen Behörden demnächst eingehen" . Der Erklärungsbedarf ist jedenfalls beträchtlich. (Gerhard Mumelter /DER STANDARD, Printausgabe, 22.7.2011)