Bild nicht mehr verfügbar.

In der Bildmitte: Heinz Stephan Tesarek, Gewinner des "Objektiv 2011" in den Kategorien Chronik und Fotoserien sowie Gesamtsieger.

Die weiteren Preisträger: V.l.n.r.: Stephan Boroviczeny (Kategorie Wirtschaft), Andreas Reichart (Kategorie Sport), Roland Schlager (Kategorie Innen- und Außenpolitik) und Erich Reismann (Kategorie Kunst und Kultur).

Foto: APA/Schedl

Tesarek wurde für seine Serie über die Präsidentenwahl in Weißrussland mit dem "Objektiv 2011" ausgezeichnet.

Foto: Heinz Tesarek
Foto: Heinz Tesarek
Foto: Heinz Tesarek

Heinz Stephan Tesarek wurde in Weißrussland während eines Fotoeinsatzes an der Hand verletzt und musste drei Monate pausieren. "News" stellte daraufhin die Zusammenarbeit mit dem freien Fotografen ein. Oliver Mark sprach mit Tesarek über Verletzungen als Berufsrisiko, die sinkende Nachfrage nach "richtigen" Fotoreportagen, den technischen Fortschritt als größte "Gefahr" für den Berufsstand und ein Buchprojekt über "Vorahnungen, die quälen, wer zu viel zu sehen bekommt".

derStandard.at: Sie haben die "Objektiv"-Preisverleihung genützt, um Kritik am News-Verlag zu üben. Was sind Ihre Kritikpunkte?

Tesarek: Ich war irritiert von der Unbeschwertheit, mit der der Verlag die Zusammenarbeit mit mir eingestellt hat. In Folge einer für "News" fotografierten Arbeit, bei der ich verletzt wurde, und die schließlich als Beste des Jahres ausgezeichnet wurde. An sich habe ich immer gerne für "News" gearbeitet – auch weil ich mit einigen der Journalisten hervorragend zusammengearbeitet habe.

derStandard.at: Hat es Reaktionen – Zustimmung oder Kritik von KollegInnen oder Medien – nach Ihrer Rede gegeben?

Tesarek: Viele fotografierende Kollegen haben sich sichtlich mit mir gefreut. Auch eine Menge Schreibender. Jene aus dem Verlag sowieso, die haben ja mitbekommen, was da abgegangen ist. Wochen später kam dann noch der gut gemeinte Rat eines Kollegen zu mehr Besonnenheit. Nun ja. Daran arbeite ich.

derStandard.at: Sind Verletzungen ein Berufsrisiko, mit dem man in dem Metier leben muss?

Tesarek: Man kann – und sei man noch so vorsichtig – nie ausschließen, dass einem dasselbe widerfährt wie den Menschen, über die man berichtet. Das gilt vor allem für die Arbeit in Krisen- und Kriegsgebieten. Man kann natürlich auch nicht berichten. Diese essentielle Entscheidung gilt es zu treffen.

derStandard.at: Im Falle einer Verletzung, eines Dienstausfalls: Welche Absicherung für den Verdienstentgang müsste/kann es geben? Die einzigen Möglichkeiten sind eine fixe Anstellung beziehungsweise eine Privatversicherung, oder?

Tesarek: Wissend, dass sich immer jemand findet, der alles auch unversichert erledigt, habe ich da einen sehr pragmatischen Zugang. "Du fährst, machst die Bilder, wenn etwas passiert hast ohnehin du den Scherben auf, aber wir lassen dich nicht fallen". An sich sollte ein Gentlemen's-Agreement genügen. Dies setzt natürlich Gentlemen voraus. Angesichts horrender Prämien Krisengebiete abdeckender Privatversicherungen lässt sich das auch kaum anders regeln.

derStandard.at: Ist der österreichische Magazin- und Zeitungsmarkt zu klein, um als freier Fotograf mit ihrem Portfolio erfolgreich zu sein?

Tesarek: Es macht die Sache nicht leichter. Prinzipiell ist die größte Erschwernis jedoch die sinkende Nachfrage nach "richtigen" Fotoreportagen. Weitaus gefragter sind gestellte Bilder, arrangierte Klischees, digital geschönte Fantasiewelten. Dabei liegen die Geschichten, und damit die Bilder, auf der Straße. Aber die ist dreckig, und sie aufzulesen erfordert, sich das weiße Hemd zu schwärzen.

derStandard.at: Ist diese Freiheit, die Sie als freier Fotograf haben, so viel Wert, dass Sie nicht fix bei einem Medium arbeiten möchten?

Tesarek: Als Freier haben Sie das Problem, dass sie sich kaum in eine Redaktion einbringen können, da selbst leiseste Kritik dazu führen kann, dass man dort fortan eine andere Nummer wählt. Das verunmöglicht aber produktive Konzeption und Umsetzung von Geschichten. Als fixer Mitarbeiter gehen ihnen hingegen mit der Zeit die Außeneinflüsse verloren. Die sind aber unerlässlich, will man sich weiter entwickeln.

derStandard.at: Der Vertreter der Pressefotografen in der Wirtschaftskammer, Franz Neumayr, hat gesagt, es gibt in der Branche zu viele, "die jammern statt arbeiten". Ist diese Kritik an den Fotografen berechtigt?

Tesarek: Manche jammern. Andere arbeiten. Dritte arbeiten und jammern. Wir unterscheiden uns nicht von anderen Berufsständen.

derStandard.at: Es gibt alleine in Österreich 1.500 Pressefotografen auf Gewerbescheinbasis: Führt die Konkurrenzsituation zu Dumpingpreisen, die den Markt und die Qualität ruinieren?

Tesarek: Es ist vor allem der Überfluss an visuellen Reizen, der den Bedarf – und somit auch den Wert – von guten Bildern sinken lässt. Diese werden im permanenten Bilderrausch gar nicht mehr wahrgenommen. Wer heute mit Bildern Ziele verfolgt, sollte aber erkennen, dass der Mensch im Bild entweder emotionale Befriedigung oder irgendeine Form von Erkenntnis sucht. Nur für diese Informationen ist er auch bereit, einen Handel einzugehen.

derStandard.at: Gibt es Auswege aus der Situation? Wie könnten die aussehen?

Tesarek: Fotografen können vielleicht den Moment einfangen, nicht jedoch die Zeit aufhalten. Die größte "Gefahr" für unseren Berufsstand ist der technische Fortschritt. Meine Tochter macht heute mit Hilfe ihres Mobiltelefons – und den darauf vorprogrammierten Bildbearbeitungsalgorithmen – Fotografien, die vor zehn Jahren wochenlange Arbeit bedeutet hätten. Dieser Beruf wird ein Privileg jener werden, die mit Bildern Geschichten aus unikaler Perspektive erzählen können.

derStandard.at: Der Journalismus geht immer mehr in Richtung "alles aus einer Hand" (Schreiben, Fotografie, Video). Ist das eine Gefahr für Ihre Branche?

Tesarek: Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist, diese Ansprüche ohne nennenswerte Abstriche zu erfüllen. Und ebenso wie sich zwei Talente zur Kraft von vier potenzieren, sind sie aufeinander geeicht. Nichts schlägt ein eingespieltes Team aus Wort und Bild.

derStandard.at: Wie würden Sie die "Atmosphäre" in der Branche beschreiben? Ellenbogentechnik oder Kollegialität?

Tesarek: Es soll auch bei uns vorkommen, dass mal einer dem anderen ein Haxl stellt. Das ist aber die Ausnahme. Wir sind ein ziemlich wilder Haufen von Einzelkämpfern. Uns trennt manches Eigeninteresse, aber uns eint die Liebe zu diesem Beruf und die Sucht nach dem nächsten Schuss.

derStandard.at: Nachdem die Aufträge von "News" ausbleiben: Wie sieht ansonsten die Auftragslage aus?

Tesarek: Es ist Urlaubszeit, da war noch nie viel los. So auch heuer nicht. Das kommt nicht ungelegen, da ich endlich die Zeit finde, ein Buch zu beenden, an dem ich seit sechs Jahren arbeite. Es soll Ende September erscheinen. In einer eigens entwickelten fotografischen Kommunikationsform erzählt es von einer sich verkehrenden Welt. Und den Vorahnungen, die quälen, wer zu viel zu sehen bekommt. (om, derStandard.at, 2.8.2011)