Papst Benedikt XVI. ist stockkonservativ. Aber es hätte schlimmer kommen können. Laut La Stampa, der in Sachen Vatikan verlässlichsten Tageszeitung, erwuchs 2005 dem damals obersten Glaubenshüter der katholischen Kirche ein auch politisch ultrarechter Kardinal aus Argentinien als ernstzunehmender Konkurrent.

Laut Mitschrift eines italienischen Kardinals sei Ratzingers Anhängerschaft zwar auf über siebzig Wähler angewachsen, zu wenig jedoch für die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Vierzig Stimmen hatte nämlich Jorge Mario Bergoglio, heute 75-jähriger Erzbischof von Buenos Aires, erreicht. Auch seine Fangemeinde wuchs - erst nach intensiven Beratungen soll der Südamerikaner "verzichtet" haben. Ratzinger war dann nach 26 Stunden gewählt.

Nachträglich betrachtet hat der katholische Teil der Welt mit der Wahl Ratzingers vielleicht ziemliches Glück gehabt. Der Jesuit Bergoglio unterscheidet sich theologisch kaum von Benedikt. Politisch jedoch ist er fragwürdig: Er tolerierte die argentinische Militärdiktatur und fand nie auch nur ein Wort der Kritik an der Ermordung tausender Regimegegner. Dass so ein Mann unter den Kardinälen auf 40 Stimmen kam, ist eigentlich ein Alarmzeichen. 115 Kardinäle waren damals wahlberechtigt - 40 keine klaren Verteidiger der Menschenrechte.

Aber ein weiterer Aspekt wird in einigen Kommentaren zu diesem Bericht angemerkt. Noch nie hat ein nichteuropäischer Kardinal bei einer Papstwahl so viele Stimmen erhalten. Das bedeutet, der Wille, es einmal mit einem Mann aus Südamerika zu versuchen, wächst; Profilierte gibt es jedoch kaum.

Der bekannteste, Rodriguez Maradiaga, der 69-jährige Erzbischof von Honduras (er trat vor einigen Jahren beim Standard-Montagsgespräch auf) dürfte wegen seiner scharfen Haltung gegen US-Konzerne nicht mehrheitsfähig sein. Andererseits wird man sich kaum zum dritten Mal auf einen Mitteleuropäer verständigen, weshalb die Chancen von Christoph Schönborn, dem Wiener Erzbischof, gering sind.

Was wiederum die italienischen Kandidaten stärkt - und zwar die residierenden Erzbischöfe, weil die Kurienkardinäle allesamt bereits zu alt sind. Sollte der trotz seiner 84 Jahre relativ robuste Benedikt überraschend das Zeitliche segnen müssen, gilt der neue Erzbischof von Mailand, der 70-jährige Angelo Scola, als Favorit. Scola ist ein international anerkannter Theologe, betreibt eine Website und hat viel Charisma.

Auf der noch konservativeren Seite (um nicht zu sagen: rechts der Wand) hat sich der optisch an den Pacelli-Papst erinnernde Erzbischof von Genua, seit 2007 Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz, Angelo Bagnasco (68), platziert. Seine bisher profilierteste Aussage: Homosexuelle seien mit Pädophilen vergleichbar. Der Mann hätte zweifellos Chancen.

Keine Chancen hätte der von einigen "Progressiven" forcierte und intellektuell debattierende Erzbischof von Lyon, Philipp Barbarin (61). Er hat die Abschaffung des Pflichtzölibats verlangt. Das ist ein riesiges Minus. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.8.2011)