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Gemeinsam Einkaufen - weniger Zahlen, das ist die Idee.

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Wien - Die weltweit aktive Einkaufsgemeinschaft Lyoness aus Graz muss sich mit einer Klage herumschlagen. Ein Ex-Vertriebsmitarbeiter hat selbst Einkäufe im Wert von über 74.000 Euro über das Netzwerk abgewickelt, aber nur einen Bruchteil des Versprochenen bekommen. Unterm Strich machte er sogar ein Minus von rund 6.700 Euro. Laut seinem Anwalt Eric Breiteneder handelt es sich bei Lyoness um ein "pyramidenartig aufgebautes System", dessen komplizierte Kapitalflüsse nicht offengelegt würden. Die entsprechende Klage wurde am Donnerstagabend in Graz eingebracht. Ob der verworrenen Geldströme bei Lyoness sind auch Konsumentenschützer in Österreich und der Schweiz skeptisch. Das Unternehmen weist die Anschuldigungen als "absurd" zurück und droht mit Gegenklage.

Eigentlich klingt es ganz einfach: Mitglieder der Einkaufsgemeinschaft bekommen etwa bei Möbelhäusern oder Sportgeschäften Rabatte, weil in größeren Mengen eingekauft wird. Einen Teil dieses Nachlasses behält sich Lyoness ein, ein Teil fließt in die "Lyoness Child & Family Foundation" und der Rest wird an die Endkunden weitergegeben. Völlig offen und transparent, wie das Unternehmen versichert. In einer Presseunterlage wird das System so erklärt: Bei Bezahlung mit der sogenannten Cashback Card werden dem Mitglied 1 bis 2 Prozent des Einkaufswerts auf seinem Auszahlungskonto gutgeschrieben, ab einem Guthaben von 10 Euro wird das Geld auf das Girokonto überwiesen. Zusätzlich gibt es noch den "Freundschaftsbonus" fürs Anwerben: Der "Empfehlungsgeber" bekommt "je 0,5 Prozent der Einkaufsumsätze, die durch das neue Mitglied mit Lyoness getätigt werden." Und: Einmal im Jahr wird ein Treuebonus in Form von Einkaufsgutscheinen oder Ermäßigungen ausgeschüttet, erklärte Fabian.

Rabatte

"Tatsache ist, dass Lyoness bei Lebensmitteln und beim Tanken einen Rabatt von rund 3,5 Prozent herausverhandelt hat", in anderen Bereichen noch mehr, so Fabian. Mittlerweile zählt das 2003 vom Grazer Hubert Freidl gegründete Netzwerk laut Eigenangaben 20.000 Partnerunternehmen und 1,8 Millionen Mitglieder, davon etwa 420.000 in Österreich. Mit dem Geld, das in die 2008 ebenfalls von Freidl ins Leben gerufene Foundation geht, werden Sozialprojekte in aller Welt unterstützt.

Ganz so einfach ist es nicht, meint Rechtsanwalt Breiteneder, der den ehemaligen Vertriebsmitarbeiter vertritt. "Wenn zum Beispiel 8 Prozent Rabatt gewährt werden und ich um 100 Euro einkaufe, geht 1 Euro an Lyoness - da an die Charity -, 1 Euro Freundschaftsbonus und 1 bis 2 Euro werden auf mein Girokonto überwiesen. Was aber passiert mit den restlichen 4 Euro?" Laut Fabian behält sich Lyoness 1 Prozent der Einkaufssumme für Verwaltung und Co. ein, der Rest gehe an die Foundation sowie in Treue- und Freundschaftsbonus.

Breiteneder hingegen vermutet, dass es bei Lyoness "Unmengen an Bargeld" geben müsse, dessen "rechtliches Schicksal" ungeklärt sei. "Die gewährten Rabatte sind ja echtes Geld."

Daneben, und zwar "völlig losgelöst" von der Cashback Card, gibt es laut Breiteneder noch die Möglichkeit, für mindestens 2.000 Euro ein sogenanntes Business-Paket zu erwerben. Wer fleißig Neukunden an Land ziehe, könne sich damit in einer "Matrix" Positionen erarbeiten. "Lyoness stellt den Business-Partnern in Aussicht, dass Provisionen an sie zurückfließen werden", so der Rechtsvertreter. Fabian bestätigt dies: "Ich kann ein Paket kaufen und dann bin ich Business-Partner". Durch das Anwerben von Neukunden könne man "bis zu einer gewissen Grenze in der Hierarchie steigen."

Das Problem dabei laut Breiteneder: Diese Versprechung habe sich meist nicht erfüllt, kaum jemand habe das eingezahlte Geld bisher wiedergesehen. Der frühere Vertriebsmitarbeiter etwa, der nun gegen Lyoness vor Gericht zieht, habe vor drei Jahren 10.250 Euro für Business-Pakete sowie Beteiligungen an Werbekampagnen aufgewendet "und kann bis heute nicht erkennen, worin die Gegenleistung liegt." Die 10.250 Euro will er sich jetzt via Klage zurückholen, eine Refundierung des Betrags habe Lyoness in den Allgemeinen Geschaftsbedingungen (AGB) ausgeschlossen, wie in der Klagsschrift ausgeführt wird.

Forschen

Sein Mandant habe gemeinsam mit einem anderen ehemaligen Lyoness-Mitarbeiter, der ebenfalls bereits rechtliche Schritte gegen seinen früheren Arbeitgeber eingeleitet habe, "angefangen zu forschen", so Anwalt Eric Breiteneder. "Sie haben entdeckt, dass es neben der wirklichen Matrix eine Art Schattenmatrix gibt. Die Parameter, nach denen ausgezahlt wird, sind meines Erachtens nicht nachvollziehbar. Die meisten wissen nicht, an welcher Position in der Matrix sie sind." Und wenn dann "ein bisschen was zurückkommt", sei es "für den durchschnittlich Konsumenten" kaum zuordenbar, ob es sich dabei um eine sogenannte Sofortvergütung oder eine Refundierung aus dem Business-Paket handle, "wenn er die Beträge auf seinem Konto entdeckt".

Der frühere Vertriebsmitarbeiter, der nun klagt, habe beispielsweise in Summe nur 3.540 Euro herausbekommen - dies bei einer Investition von 10.250 Euro. Bleibt also ein Saldo von minus 6.710 Euro. "Selbst, wenn man außergewöhnlich umfangreiche Einkäufe tätigt und darüber hinaus tausende Euro in Business-Pakete investiert, stellt sich heraus, dass nicht einmal ein Bruchteil zurückkommt", konstatierte Breiteneder. Sein Mandant habe privat ein Einkaufsvolumen in Höhe von 74.280 Euro über Lyoness abgewickelt.

Was den Rechtsvertreter weiter stutzig macht: Bei Lyoness könne man sich auch finanziell an Werbekampagnen beteiligen, hier würden wiederum dauerhafte Provisionsausschüttungen in Aussicht gestellt. "Mit diesen Geldern finanziert sich Lyoness den Start in neuen Ländern", glaubt Breiteneder. In seinen Augen handelt es sich dabei um eine "breitgefächerte Kapitalaufnahme", für die es zunächst einmal einen entsprechenden Kapitalmarktprospekt bräuchte.

Lyoness verwehrt sich und droht mit Klage

Lyoness weist die gegen das Unternehmen erhobenen Vorwürfe zurück und droht ihrerseits mit einer Gegenklage. Speziell der Vorwurf, ein pyramidenartiges System zu betreiben, werde massiv zurückgewiesen, heißt es in einer Aussendung des Unternehmens vom Freitagnachmittag. "Die Behauptungen, welche derzeit aufgrund geschäftlicher Interessen eines ehemaligen Dienstleisters in den Raum gestellt werden, sind einfach absurd und entbehren jeder Grundlage", sagte der Geschäftsführer der Lyoness Austria GmbH, Mario Kapun, in seiner schriftlichen Stellungnahme. Und: "Wir werden alle im Raum stehenden Vorwürfe aufklären und rechtliche Schritte gegen den Urheber prüfen."

AK auch skeptisch

Skeptisch in Bezug auf die Einkaufsgemeinschaft aus der Steiermark ist auch die Arbeiterkammer (AK), die bereits im November 2008 zur Vorsicht geraten hat. Die einfachen Mitglieder profitierten kaum von der Lyoness-Kundenkarte, das Geschäftssystem sei kompliziert, hatte es damals geheißen. Nach wie vor findet sich auf der AK-Homepage ein Artikel mit dem Titel "Skepsis über Lyoness-System". "Daran hat sich inhaltlich nichts verändert", hieß es aus der AK Steiermark. "In unregelmäßigen Abständen" wendeten sich Konsumenten an die AK und wollten wissen, "ob wir Schwierigkeiten sehen." Die Kammer-Experten hätten regelmäßig die AGB überprüft: "Das System ist das gleiche geblieben und unsere Bedenken damit auch."

Auch in der Schweiz, wo Lyoness seit rund zwei Jahren aktiv ist, raten Verbraucherschützer zur Vorsicht. "Dieses System ist dermaßen komplex und unmöglich zu verstehen", sagte Sara Stalder, Geschäftsleiterin der dortigen Stiftung für Konsumentenschutz, im Gespräch mit der APA. "Das ist natürlich ein Zeichen, dass viel vertuscht werden soll". Die Leute würden "total verwirrt und geblendet, man müsse "enorm viel Geld investieren, damit man einen Nutzen hat." Dieser sei dann oftmals noch zeitlich begrenzt - "man bekommt Einkaufsgutscheine mit Ablaufdatum", meinte Stalder. Wie die AK bekommt auch die Schweizer Konsumenschutzstiftung "ab und zu" Anfragen von Konsumenten, "die aus Verunsicherung eine weitere Meinung einholen".

Was Stalder noch Bauchweh bereitet, ist die Lyoness-eigene Foundation. "Jede fragwürdige Firma hat irgendeine Charity-Organisation", deren Zweck im Dunkeln liege. "Das ist ein reines PR- und Marketinginstrument", meinte die Konsumentenschützerin.

Ab nächstem Jahr gebe es in der Schweiz die Möglichkeit, gegen derartige "Schneeballsysteme" rechtlich vorzugehen, kürzlich sei nämlich das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geändert worden. Ob die Schweizer Konsumentenschützer dann auch Lyoness klagen wollen? "Das will ich noch nicht bekanntgeben. Wir haben mehrere Firmen am Radar." (APA)