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Yasin Pehlivan, Bankangestellter bei Gaziantepspor, hat ein sportlich enttäuschendes Jahr hinter sich: "Es ist einfach Scheiße gelaufen."

Foto: EPA/Zobrowski

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Die österreichischen Medien haben im Winter auf ihn eingeprügelt, bei Rapid war er weg vom Fenster: "Am Ende hieß es, ich würde Alibi-Pässe spielen."

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derStandard.at: Von Yasin Pehlivan hört man in Österreich wenig. Wie geht es Ihnen momentan in der Türkei?

Yasin Pehlivan: Am Anfang habe ich mir sehr schwer getan, aber jetzt geht es mir besser weil ich hoffentlich wieder spielen werde. Die Situation des Vereins ist nicht einfach.

derStandard.at: Gaziantepspor hält nach 12 Spielen bei nur 10 Punkten. Wird es heuer eine Saison gegen den Abstieg?

Pehlivan: Wir wollten eigentlich ganz vorne mitspielen und jetzt sind wir Vorletzter. In der türkischen Liga ist aber alles eng beisammen. Wir haben in der kommenden Woche drei Spiele, wenn wir da sieben Punkte holen, sind wir wieder in der oberen Tabellenhälfte zu finden. Vielleicht schaffen wir es auch ins Playoff (der türkische Meister und die Europacup-Plätze werden im Playoff-Modus gespielt, ähnlich wie in den Niederlanden, Anm.).

derStandard.at: Sie kamen bisher nur bei drei Spielen zum Einsatz. Wie beurteilen Sie Ihre persönliche Situation?

Pehlivan: Meine Situation ist unverändert, aber ich bin jetzt wieder im Kader. Ich habe mit Ekrem Dağ gesprochen, auch er hatte zu kämpfen als er in die Türkei kam (Ekrem Dağ wechselte 2005 von Sturm Graz zu Gaziantep und spielt mittlerweile bei Besiktas, Anm.). Er war am Anfang sieben Wochen nicht im Kader.

derStandard.at: Gaziantepspor konnte im Sommer ihre Ablöse nicht fristgerecht bezahlen, womit Sie zu Beginn keine Freigabe von Rapid hatten. Was war ihre Reaktion?

Pehlivan: Ich habe das gar nicht gewusst, mir wurde nichts gesagt. Ich bin nach Minsk mitgefolgen und war plötzlich nicht im Kader. Der Trainer hat gesagt, die erste Rate wird so schnell wie möglich eingezahlt werden. Ich weiß noch immer nicht genau, was passiert ist. Die zweite Rate sollte jetzt bald bezahlt sein.

derStandard.at: Mit Tolunay Kafkas war bis vor kurzem ein ehemaliger Österreich-Legionär Trainer bei Gaziantepspor. Wie war er als Trainer?

Pehlivan: Mit Kafkas war es sehr schlimm. So einen Trainer hatte ich zuvor noch nie erlebt, er hat geschrien und geschimpft, es war ein Wahnsinn. Im Training ist er bei Fehlern regelmäßig ausgezuckt. Sie können sich Peter Pacult vorstellen? Kafkas war ohne Übertreibung fünf bis zehnmal schlimmer als Pacult. In meinem ersten Spiel in der Qualifikation für die Europa-Liga habe ich 90 Minuten gespielt, beim nächsten Match war ich nicht mehr im Kader. Den Grund hat mir niemand gesagt. Am Anfang hat Kafkas mit mir noch über Österreich geredet: Wo er gespielt und welche Trainer er hatte. Später haben wir nicht mehr miteinander gesprochen. Taktik stand kaum am Programm, er hat uns nur motiviert: "Geht da hinaus und kämpft wie Männer." Gelernt hab ich von ihm nichts.

derStandard.at: Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem neuen Trainer Abdullah Ercan?

Pehlivan: Ich bin froh, dass er da ist. So wie die ganze Mannschaft. Er war U19-Trainer der Türkei, ist sehr gut im taktischen Bereich. Man sieht, dass er eine gute Trainerausbildung genossen hat. Ein moderner Trainer halt, wie man es aus Europa kennt.

derStandard.at: Wie groß ist die Umstellung von der österreichischen auf die türkische Liga?

Pehlivan: Das Tempo in der Türkei ist höher, spielerisch ist der Unterschied nicht so groß, wenn man die großen Istanbuler Vereine ausklammert. Der Umgang mit den Spielern ist aber ein anderer, man hat viel mehr Druck, es läuft professioneller. Zwei Tage vor einem Match wird man immer einkaserniert, nicht nur vor Auswärtsspielen. Du hast einen eigenen Koch, wirst rund um die Uhr betreut.

derStandard.at: Wie stark ist die Drucksituation von Seiten der Fans?

Pehlivan: Unsere Fans nicht so fanatisch wie bei Besiktas oder Galatasaray. Aber wenn wir nächste Woche verlieren, dann werden sie Druck machen. Der Präsident war heute nach dem Training da, wir hatten eine Teamsitzung. Wir stehen unter Zugzwang, das bekomme ich auch über die Medien mit.

derStandard.at: Zum Thema Nationalteam: Bei einem "kleineren Klub" in der Türkei stehen Sie nicht so im internationalen Fokus. Ist es schwerer, auf sich aufmerksam zu machen?

Pehlivan: Ich glaube, dass die türkische Liga unterschätzt wird. In Österreich stehen vor allem die Deutschland-Legionäre im Fokus. Das stört mich schon. Ein Veli Kavlak spielt bei Besiktas mit Leuten wie Quaresma, Simao oder Guti, das muss man einmal schaffen. Das würde nicht jedem Deutschland-Legionär gelingen.

derStandard.at: Ex-Teamchef Constantini hielt Ihnen die Stange. Wie empfinden Sie seine Leistung als Teamchef im Rückspiegel?

Pehlivan: Constantini habe ich viel zu verdanken, er hat mich immer einberufen. Wenn ich spielen durfte, hab ich für Österreich immer mein Bestes gegeben. Ich hoffe, dass ich wieder irgendwann im Team spielen darf.

derStandard.at: Hatten Sie bereits Kontakt mit Marcel Koller?

Pehlivan: Nein.

derStandard.at: Sie haben einen rasanten Aufstieg hinter sich: Nach fünf Bundesliga-Partien für Rapid debütierten sie schon im Team, waren 2009 Aufsteiger des Jahres. Wie gehen sie damit, dass sie erstmals vor einem Stopp-Schild stehen?

Pehlivan: Überall wo ich hingekommen bin, habe ich sofort gespielt. Bei Rapid kam ich in der ersten Saison immer zum Einsatz genauso wie in den Nachwuchsnationalteams. Letzte Saison hat Pacult nicht mehr auf mich gesetzt, die Gründe dafür habe ich nicht erfahren. Dabei habe ich immer konstant meine Leistung gebracht. Auf einmal hieß es, ich würde Alibi-Pässe spielen. Die gleichen Pässe habe ich zu Beginn meiner Karriere auch gespielt und da war alles gut. Als defensiver Mittelfeldspieler wurde mir auch gesagt, ich setzte offensiv zu wenig Akzente. Mein Selbstvertrauen war weg. Ich denke nicht, dass ich stehen geblieben bin, aber ich hab einfach sehr lange nicht gespielt. Dazu kam noch die Verletzung im Länderspiel in der Türkei. Es ist einfach schlecht gelaufen.

derStandard.at: Ihre weihnachtliche Schlagfertigkeit und Ihre Gipshände waren letzten Winter ein Thema in Österreich, Deutschland und sogar der Türkei. Wie sehen Sie das rückbetrachtend?

Pehlivan: Ich bin früher nie negativ aufgefallen, aber ich bin als Spieler natürlich eine Person der Öffentlichkeit. Es war ein großer Fehler. Aber jeder Mensch, der in dieser Situation dort gewesen wäre, hätte das gleiche gemacht wie ich. Ich war alleine und sah keine andere Lösung mehr. Hätte ich weglaufen sollen? Aber gut, das ist alles vorbei.

derStandard.at: Das passierte in Wien. Sie leben jetzt in Gaziantep. Kann man diese beiden Großstädte miteinander vergleichen?

Pehlivan: Wien ist natürlich viel schöner. Aber hier kann man auch viel unternehmen. Ich habe halt in Gaziantep keine Freunde außer meine Mannschaftskollegen, lebe mit meiner Freundin hier. Den Kreis meiner Freunde in Wien habe ich aber nicht vergessen. Wenn ich drei oder vier Tage frei habe, fliege ich nach Hause und treffe auch meine Familie.

derStandard.at: Wie ist das Leben generell in der Türkei?

Pehlivan: Das Leben hier ist viel schwieriger. Die Leute sollen sich bei Gott bedanken, wie gut es ihnen in Wien geht. Die Schere zwischen Arm und Reich geht in der Türkei soweit auseinander. In Gaziantep leben sehr viele arme Menschen. In meinem Leben hat sich aber wenig verändert. Ich trainiere und verbringe den Rest der Zeit zu Hause. Das macht Sinn, weil ich jetzt ein echter Profi bin. In Wien gehst du nach dem Training mit Freunden noch etwas Essen oder Trinken anstatt dich auszuruhen.

derStandard.at: Stichwort Rapid: Die sportliche Situation von Grün-Weiß gleicht derzeit einer Achterbahnfahrt. Verfolgen Sie die Geschehnisse um ihren Ex-Verein?

Pehlivan: Natürlich, ich verfolge alle Spiele und fiebere mit. Nach dem Salzburg-Match wird ein Aufwärtstrend folgen. Das Team hat Potenzial.

derStandard.at: Haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen Mannschaftskollegen?

Pehlivan: Ich schreibe mit einigen Spielern auf Facebook. Mit Veli Kavlak habe ich viel Kontakt. Nach unserem letzten Spiel in Istanbul habe ich mich mit ihm getroffen.

derStandard.at: War es eine gute oder schlechte Entscheidung, in die Türkei zu wechseln?

Pehlivan: Wenn ich spiele, wird es im Nachhinein eine gute Entscheidung gewesen sein. Bei Rapid war ich nicht mehr erste Wahl und darum wollte ich weg. Ich denke, Gaziantepspor ist kein Rückschritt, es geht um meine Weiterentwicklung.  (derStandard.at; 5. Dezember 2011)