In Zeiten der Wirtschaftskrise, in der große Teile des Mitarbeiterstabs verunsichert sind und jeder sich anschickt, seine Pfründe zu sichern, wo Mobbing zunimmt und die Resilienzen oft schwach sind, brauchen viele im mehr oder weniger unmittelbaren Arbeitsumfeld eines ganz besonders nicht: einen eitlen Boss.

Bis jetzt. Eine aktuelle Studie der Wirtschaftshochschule IMD in Lausanne (Schweiz), die in Kooperation mit der Universität Erlangen-Nürnberg und dem Smeal College of Business der Pennsylvania State University durchgeführt wurde, zeigt nun positive Effekte des Narzissmus bei Geschäftsführern auf. Denjenigen, die unter einem eitlen Geschäftsführer leiden, sei an dieser Stelle gesagt: Nie ein Nachteil, wo nicht auch ein Vorteil - dies nun auch wissenschaftlich fundiert.

Zwischen 1980 und 2008 wurden 78 Chief Executive Officers (CEO) von 33 großen Pharmaunternehmen in den Vereinigten Staaten dahingehend beobachtet, wie sie auf die Entstehung der Biotechnologie reagierten. Für jedes Jahr der Tätigkeitsdauer eines CEOs wurden Intensität und Geschwindigkeit bei der Umsetzung strategischer Initiativen im Bereich Biotechnologie - in Form von Allianzen, Übernahmen und Auflegung von Projekten in Forschung & Entwicklung - berechnet. Vier Faktoren wurden für diese Berechnungen zur Hand genommen:

  • Erscheinen von Fotos der Geschäftsführer in Jahresberichten,
  • Häufigkeit der Erwähnung des CEOs in Pressemitteilungen,
  • Barvergütung in Form von Gehalt und Bonus sowie
  • geldwerte Vergütung, also aufgeschobene Vergütung, Aktienpakete und Aktienoptionen im Verhältnis zur Führungskraft mit dem zweithöchsten Gehalt.

Die Ergebnisse der Langzeitstudie besagen, dass ein gesundes Maß an Narzissmus in der Führungsetage dazu beitrage, jene Trägheit zu überwinden, die häufig in großen und etablierten Unternehmen um sich greife. So etwa sorgen ichbezogene und - wie es heißt - "beifallheischende" Geschäftsführer eher dafür, dass ihre Unternehmen in Sachen technologischer Innovation ganz vorne mit dabei seien. Auch stärke, so die Studienautoren, das Streben nach Aufmerksamkeit egozentrischer Geschäftsführer deren Bereitschaft, mutige Entscheidungen zu fällen, die weniger selbstsichere Führungskräfte - vor allem in Zeiten radikaler Veränderung - eher scheuen würden.

Eitelkeit macht mutiger

Narzissmus "kann als Katalysator bei Risikobereitschaft und Innovation durchaus hilfreich sein", sagt Albrecht Enders vom IMD. Und weiter: "Narzisstische Menschen können ein Ärgernis und sogar absolut selbstsüchtig sein, aber sie können genau die richtige Besetzung sein, wenn gewagte und unkonventionelle Maßnahmen erforderlich sind, um ein Unternehmen vor dem Untergang zu retten." Weil sie nämlich genau dann die Fähigkeit zeigen, sich auf ihr überhöhtes Selbstvertrauen zu verlassen, während andere noch zögern, so Enders weiter.

Freilich sei ein narzisstischer Boss kein Garant für einen Geschäftserfolg, sagt Enders, "man kann sich problemlos narzisstische CEOs vorstellen, die aggressiv in neue Technologien investieren, die sich dann als Fehlschlag erweisen". Es sei einfach deren Risikobereitschaft, die bisweilen extreme Ergebnisse zeitige - sowohl im negativen als eben auch im positiven Sinne. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.12.2011)