Bild nicht mehr verfügbar.

"Gratisgesellschaft" sei überfordert - ein verpflichtender Sozialdienst soll her.

Foto: AP/Kienzle

Graz - Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) und LHStv. Hermann Schützenhöfer (ÖVP) plädieren für die Einführung eines verpflichtenden Sozialjahres für junge Männer und Frauen bis 27 Jahren in der Dauer von acht Monaten. Dies sei "als BürgerInnenpflicht" zu sehen, die auch mit sechs Monaten Wehrdienst abgetauscht werden könne, wie Nagl in einer Pressekonferenz am Freitag meinte. Der "Anspruchsstaat, die Gratisgesellschaft" sei überfordert und der Sozialstaat nicht länger finanzierbar. Deshalb müsse die gesellschaftliche Kompetenz der Bürger aktiviert werden, so Nagl. Er sei überzeugt, dass die acht Monate eine Zeit seien, die sich lohne und die die jungen Menschen bereichern werde.

Kinderbetreuung und Pflege

Das Sozialjahr könne nur absolviert werden, wenn man die Schulpflicht erfüllt und unter 27 Jahren sei: "In diesem Lebensjahr enden alle Fördermodelle", nannte Nagl die Begründung. Wenn eine Frau bis 27 ein Kind bekomme, müsse sie keinen Sozialdienst leisten. Ein Dienst in der Familie wie etwa Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen werde bei "mindestens sechsmonatiger Karenzierung als Gemeinschaftsdienst voll anerkannt. Auch bei der Feststellung der Wehrdiensttauglichkeit könnte etwas geändert werden: "Wer den körperlichen Anforderungen des Bundesheeres nicht entspricht, kann dennoch wertvolle Arbeit bei NGOs leisten".

Weitere Details zu dem Vorschlag wollte Nagl nicht nennen. Die Sache sei auch als österreichweiter Diskussionsanstoß zu sehen. Eine mögliche Inkompatibilität zu EU-Gesetzen gebe es seiner Ansicht nach nicht. Schon im Zuge der Diskussion um eine Abschaffung der Wehrpflicht war im Vorjahr eine Debatte über einen verpflichtenden Sozialdienst anstelle des Zivildienstes entbrannt. Verfassungsexperten hatten ihn damals unter bestimmten Bedingungen für verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen gehalten.

Einsatzbereich

Abgeleistet werden könne der Sozialdienst zum Beispiel in der Alten- und Krankenpflege, in der Jugend- und Behindertenhilfe, bei der Integration im Natur- und Umweltschutz sowie auch in Frieden sichernden Projekten, wie etwa in Gedenkstätten wie ehemaligen KZ, sagte Nagl. Die Liste sei ein Vorschlag und somit erweiterbar, denn es gebe viele Einsatzbereiche.

Es gehe auch um eine Wertediskussion, so Nagl und Schützenhöfer - letzterer hatte eine ähnliche Forderung bereits in einem "Kurier"-Interview im Mai aufgestellt. "Die Politik muss auch wieder etwas einfordern können", sagte Nagl. "es geht darum, der Gesellschaft etwas zurückgeben. Ich treffe viele junge Menschen, die in sozialen Einrichtungen mitarbeiten und erst dadurch erkennen, welchen Beruf sie später ausüben möchten".

Adressiert ist die Forderung laut dem Bürgermeister an die Bundesregierung und alle Parteien, die sie auch zugestellt erhalten würden. Die Bundespartei habe er von dem Vorhaben bisher noch nicht in Kenntnis gesetzt, so Nagl bei der Präsentation des "Jahres zur persönlichen und beruflichen Orientierung". (APA)