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Foto: AP/PETER DEJONG

Wenn Sie nicht an Altersarmut leiden wollen, dann sollten Sie Finanzminister, Unternehmensberater oder Angestellter einer Ratingagentur werden, nicht aber (erfolgloser) Jazzmusiker. Die Süddeutsche Zeitung berichtete kurz nach Weihnachten (27.12.2011) von der deplorablen Situation, in der sich die meisten brotlosen Künstler in ihren alten Tagen befinden. Da ist es denn auch kein Wunder, dass sich manche von ihnen in jüngeren Jahren zeitweilig musikalisch an irgendwelche Pop-Superstars anbiedern, um wenigstens minimal an deren finanziellen Erfolgen mitzunaschen. Das geht natürlich nicht immer gut, im Gegenteil: "Derzeit beschleicht einen der Eindruck: tiefer geht's nimmer. Da ist zum Beispiel Jens Thomas, Jahrgang 1970, ein Pianist und Träger des SWR-Jazzpreises 2000, der an den Musikhochschulen in Hamburg und Berlin unterrichtet hat. (....) Seine neue CD ,Speed of Grace‘ (Act) ist eine total private, verunglückte Hommage an AC/DC. Das ,Tribute‘ ist wohl ein Versuch, sich etwas vom riesigen Kuchen der mehr als 200 Millionen verkauften Alben abzuschneiden. Thomas' Gesangskünste sind mehr als bescheiden und sein verkitschter Dachkammerjazz vermurkst das australische Schwermetall zur Unkenntlichkeit."

Von der Traurigkeit dieser Geschichte abgesehen hat mich in diesem Zitat der Ausdruck "Dachkammerjazz" beeindruckt. Er will insinuieren, dass Jazz, der etwas taugt, an prestigeträchtigen oder charismatischen Orten (Bars, Clubs, große Festivals) aufgeführt werden muss, nicht aber in einer Dachkammer. Dachkammer, das bedeutet: Ärmlich, entlegen, weitab vom Schuss, ein Ort, an dem arme Musiker unter dem Ausschluss einer desinteressierten Öffentlichkeit lethargisch vor sich hindudeln und hinnudeln. Spräche man von einem Dachkammerphilosophen, einem Dachkammerschriftsteller oder einem Dachkammerfotografen, so klänge das ebenfalls nicht nach einem Kompliment. So wenig glamourös wie die Dachkammer und darüber hinaus auch noch mit dem Odium des Anrüchigen behaftet ist vielleicht nur noch das "Häusl", das sich deswegen auch gut zu Zwecken der abschätzigen Charakterisierung heranziehen lässt: Häuslschmäh, Häuslbuch (nicht zu verwechseln mit dem ehrbaren Hausbuch!), Häuslpartie, Häusljazz. Womöglich hat ja die p.t. Leserschaft noch ein paar andere Örtlichkeiten im Sinn, die sich, wie die Dachkammer oder das Häusl zum Zweck der verbalen Tristigkeitsbeschwörung eignen. Ich hoffe jedenfalls auf einen fröhlichen und animierten Posting-Auftakt im Jahr 2012.