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Bei der "Malariatherapie" wurde Blut von mit Plasmodium vivax infizierten Menschen verwendet, was schon allein wegen anderer möglicher Übertragungen von Krankheiten nach modernem medizinischen Wissen heute völlig untragbar wäre.

Foto: APA/Patrick Seeger

Wien - Von der Entdeckung durch Julius Wagner-Jauregg bis in die 1960er-Jahre wurde die sogenannte Malariatherapie bei verschiedenen Erkrankungen in der Psychiatrie eingesetzt oder einzusetzen versucht.

Im Falle jenes Mannes, der nun mit Berichten über eine solche Therapie 1964 an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien für Aufmerksamkeit sorgte, wird sich der Verdacht nach Jahrzehnten nicht objektivieren lassen. "Die Antikörper (nach der Infektion, Anm.) im Blut verschwinden wieder", sagt der Wiener Tropenmediziner Herwig Kollaritsch.

Die "Fiebertherapie" in der Psychiatrie

Wagner-Jauregg hatte 1927 den Nobelpreis für Medizin für die Entdeckung bekommen, dass man die Progressive Paralyse als Spätfolge einer nicht ausgeheilten Syphilis durch die Übertragung von Blut von mit dem Malaria-Erreger Plasmodium vivax Infizierten und die dadurch ausgelösten Fieberschübe in den Griff bekommen könnte. Antibiotika gegen die Syphilis gab es bis in die 1940er-Jahre nicht.

Abseits der Syphilis zog die die "Fiebertherapie" in der Psychiatrie und in anderen medizinischen Fachgebieten bei ehemals sonst unheilbaren Erkrankungen weite (Experimentier-)Kreise. Ob für die zweifellos beobachteten positiven Effekte die künstlich hervorgerufene Hyperthermie (hohes Fieber) und/oder vorübergehende immunologische Reaktionen verantwortlich waren, ist nicht geklärt.

Während des Nationalsozialismus wurden in psychiatrischen Krankenhäusern Versuche bei Schizophrenie durchgeführt, in NS-Konzentrationslagern an Häftlingen und Kriegsgefangene auch gegen Tuberkulose etc. Die beteiligten Mediziner landeten als Kriegsverbrecher vor dem Nürnberger Ärzteprozess, wurden zu langen Haftstrafen oder gar zum Tod verurteilt.

Blut-Injektion infizierter Menschen

Auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg spukte die Malariatherapie weiter herum. In Großbritannien wurden beispielsweise Paralyse-Therapien bis 1960 durchgeführt. Der 1978 gestorbene deutsche "Ganzheitsmediziner" Werner Zabel "behandelte" Krebskranke damit. Noch vor wenigen Jahren gab es in den USA Mediziner, die eine Malariatherapie gegen chronische Borreliose propagierten.

Bei der "Malariatherapie" wurde Blut von mit Plasmodium vivax infizierten Menschen verwendet, was schon allein wegen anderer möglicher Übertragungen von Krankheiten nach modernem medizinischen Wissen heute völlig untragbar wäre. Ehemals aber wurde die Therapie in größeren Kliniken durchgeführt, wobei ein Patient quasi als "Kulturmedium" für die folgenden diente.

Kollaritsch: "Es erfolgt eine Blutinfektion. Nach 15 bis 20 Fieberanfällen (alle paar Tage, Anm.) erlischt die Infektion dann." Freilich, die absichtlich hervorgerufenen schweren Fieberschübe würden heute inakzeptable "Nebenwirkungen" jeglicher moderner Therapie darstellen. Noch dazu würde man bei jeder Therapie auftretende Fieberschübe als Nebenwirkung behandeln - und nicht als erwünscht hinnehmen.

Rückfälle nicht möglich

Rückfälle über Jahre hinweg, wie in dem Bericht in Wien aufgetaucht, sind aber bei der Malariatherapie nicht möglich. Kollaritsch: "Ohne Infektion durch Mücken geht das Rezidiv (Wiederauftreten der Erkrankung nach Monaten oder Jahren, Anm.) nicht."

Eine Ansteckung per Bluttransfer reiche da nicht aus. Die Biologie sei einfach so. Etwa nach einem halben Jahr verschwinden die Antikörper gegen die Erreger aus dem Blut. Damit wären die Informationen des Wieners im Jahr 2011 ohne existente Krankengeschichte kaum mehr objektivierbar. (APA)