Bild nicht mehr verfügbar.

Der Ökostrom-Ausbau in Österreich kommt wieder in die Gänge. Dieses Bild stammt allerdings aus Deutschland.

Foto: APA/dpa/Möhl

Die PV-Studie von Dachgold und VEND Consulting kann bei Interesse zum Preis von 750 Euro hier bezogen werden, eine Ergebnispräsentation gibt es hier.

Sonnenstrom, Solaranlagen, Solarwärme, Sonnenkollektoren, Photovoltaik, Solarthermie - die Liste an Begriffen, die für Nicht-Ganz-Insider alle irgendwie das selbe meinen, ist lang. Das gilt im Übrigen auch für uns Journalistinnen und Journalisten: Regelmäßig werden bei diesem Thema falsche Fotos verwendet, wenn beispielsweise eine Photovoltaik-Story mit einem Bild illustriert wird, das für Ganz-Insider doch wohl eindeutig Sonnenkollektoren auf einem Dach zeigt. Und umgekehrt.

Die österreichische Solar-Beraterin und Öko-Bloggerin Cornelia Daniel kritisiert das in ihrem Blog zu Recht - und hat dankenswerterweise auch gleich eine sinnstiftende Anleitung für Journalistinnen und Journalisten geschrieben, die die ganze Problematik sehr schön zusammenfasst. So weit, so gut.

Die Verwirrung kommt aber nicht von ungefähr. Einerseits gibt es nämlich hierzulande sowohl für Photovoltaik als auch für Solarthermie zwei bundesweit agierende - und, man verzeihe den öden Wortwitz, sozusagen buchstäbliche - "Dach"-Verbände, von denen noch dazu der eine - "Austria Solar" - einen sehr vagen Sammelbegriff verwendet. Das macht die Sache nicht einfacher.

Zweitens kommt etwas internationaler betrachtet noch ein länderspezifischer Auffassungsunterschied dazu. "In Österreich meint man fast immer Solarthermie, wenn man von Solarenergie spricht. In Deutschland ist es genau umgekehrt", sagt Hans Kronberger im Gespräch mit derStandard.at. Er ist Präsident des zweiten oben erwähnten Dachverbands namens "Photovoltaic Austria". Wenn in Deutschland also in diesen Tagen heftig über die "Solar-Kürzung" diskutiert wird, dann ist damit praktisch ausschließlich die Solarstrom-Erzeugung via Photovoltaik gemeint.

Für Österreich fassen wir nochmals kurz zusammen: "Austria Solar" nennt sich der Verband, der Solarwärme vulgo Solarthermie vulgo thermische Solaranlagen, also Sonnenkollektoren für Heizung und Warmwasser verkaufen will. "Photovoltaic Austria" vermarktet hingegen exklusiv den so genannten Sonnenstrom, also mithilfe von Solarzellen auf dem Dach gewonnenen Strom.

Nun sollte man meinen, dass der eine Verband mit dem anderen genau nichts zu tun hat, außer vielleicht einen zunehmend schärfer werdenden Kampf um die besten Flächen auf dem Dach. Im Prinzip ist das auch so, allerdings ist man hier wie dort nicht um eine Spitze gegen den jeweils anderen Verband verlegen. Austria-Solar-Geschäftsführer Roger Hackstock sagte zu Beginn dieser Woche auf einer Pressekonferenz, dass Österreich punkto Sonnenenergie weltweit führend sei. Hackstock meinte damit also die Solarthermie, von der Ende 2011 mehr als 270.000 Anlagen in Betrieb waren. Nur in Israel, Zypern und auf der Karibikinsel Barbados seien pro Kopf mehr Solaranlagen installiert als in der Alpenrepublik. 2011 sei der österreichische Markt allerdings zum zweiten Mal in Folge geschrumpft, vor allem wegen entfallener Förderungen in Niederösterreich. Die Branche blickt nun nervös auf die Kollektor-Produzenten in China. Diese seien zwar "noch nicht so aggressiv wie bei der Photovoltaik", aber sobald die chinesischen Hersteller einmal auf die in Österreich vorwiegend verwendeten Flachkollektoren umsatteln und diese in großem Stil nach Europa liefern würden, ergäbe das ein enormes Bedrohungspotenzial, so Hackstock.

Kronberger, der frühere FPÖ-EU-Abgeordnete und jetzige Präsident von Photovoltaic Austria, glaubt deshalb überhaupt, dass sich die Solarthermie "eher am absteigenden Ast" befindet, die Photovoltaik aber erst so richtig am Abheben ist. Als Beleg dafür nennt er die Entwicklung der letzten beiden Jahre: 2010 wurden 42,9 Megawatt-Peak in Österreich neu installiert, im Vorjahr waren es sogar 80 MWp. Die insgesamt in Österreich installierte PV-Leistung habe sich damit nur innerhalb eines Jahres fast verdoppelt, von 95,5 MWp (2010) auf 175 MWp (2011). Bis Jahresende 2012 sollten in der Alpenrepublik insgesamt 325 MWp installiert sein, was einer neuerlichen Beinahe-Verdopplung gleichkäme. Möglich ist dies, weil das neue Ökostromgesetz, das am 1. Juli in Kraft treten wird, für einen enormen Schub sorgen dürfte. Und: Der Abbau der angehäuften Projekt-Warteliste hat bereits voll eingesetzt.

Die heimische Photovoltaik-Branche erlebt also einen neuerlichen Boom. Kronberger glaubt sogar, dass der Ausbau beim Sonnenstrom in Österreich bald das deutsche Niveau erreichen könnte. In Deutschland wurde allein im Jahr 2010 eine PV-Kapazität von 7.400 MWp neu installiert, insgesamt wurde in besagtem Jahr schon eine Leistung von 17.200 MWp oder 17,2 Gigawatt peak (GWp) erreicht. Im Jahr 2000 wurde in Berlin das "Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien" (EEG) verabschiedet, richtig los ging es mit der Photovoltaik in unserem Nachbarland aber erst, nachdem dieses Gesetz 2004 novelliert und dabei eine höhere Vergütung für Photovoltaik und Biomasse beschlossen worden war. "Diese Änderung löste den weltweiten Solarboom aus. Weltweit ist das EEG das fortschrittlichste Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien", schreibt die oben erwähnte Bloggerin und Solar-Beraterin Cornelia Daniel in einer von ihrer Firma Dachgold sowie dem deutschen Partner VEND Consulting durchgeführten Photovoltaik-Studie Österreich - Deutschland. Der Ausbau geht der Regierung mittlerweile schon zu schnell, sie tritt, wie oben beschrieben, gerade kräftig auf die Bremse.

In Österreich kann man sich das "G" für Gigawatt in Zusammenhang mit dem Photovoltaik-Ausbau noch eine Zeitlang getrost sparen. Erste Anlagen gab es zwar recht früh, schon Anfang der 1990er-Jahre, nennenswertes Wachstum hat aber erst zu Beginn der Jahrtausendwende mit der im Ökostromgesetz 2001 (ÖSG) festgeschriebenen Tarifförderung eingesetzt. Da diese jedoch auf 15 MWp/Jahr gedeckelt war, brach der österreichische Inlandsmarkt 2004 ab. 2007 und 2008 wuchs der Markt auf niedrigem Niveau weiter, weil damals auch Investitionsförderungen eingeführt wurden. Erst 2009 und 2010 gab es einen stärkeren Anstieg, rückführbar auf eine Erhöhung der Investitionszuschüsse durch Bund und Länder.

Deutschland hat sich mittlerweile also als Photovoltaikweltmeister etablieren können, in Österreich wurde die Entwicklung der Branche seit 2004 aber "eher verhindert als gefördert", resümiert Daniel. Das könnte, ja sollte sich nun ändern. Ohnehin ist in beiden Ländern noch viel Platz nach oben: Das technische Potenzial in Deutschland wird in der Studie auf 203 GWp oder 175 Terawattstunden pro Jahr (TWh/a) geschätzt, das wäre in etwa das Zwölffache des jetzigen Ausbaus. In Österreich beträgt das technische Potenzial 35,17 GWp, schreibt Daniel unter Berufung auf die Studie von Wolfgang Streicher aus dem Vorjahr (S. 18) -mehr als das Hundertfache der aktuell erzielten Leistung. Vielleicht denkt man ja auch hierzulande bald zuerst an Photovoltaik, wenn von "Solarenergie" die Rede ist. (derStandard.at, 24.2.2012)