Wien - Einen Appell in letzter Minute lanciert der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (Örak), Rupert Wolff: Sollte das neue Sicherheitspolizeigesetz (SPG) am Mittwoch wie vorgesehen beschlossen werden, so bestehe ein starkes Risiko, dass es mangels wirkungsvoller Kontrolle zu ausufernder Überwachung kommen werde, sagte er am Dienstag zum Standard.

"Dann können die Sicherheitsbehörden mit der Behauptung, eine Person sei abgängig und selbstmordgefährdet, deren Handy-Standortdaten sowie jene ihrer Begleitenden erheben lassen. Und die Betroffenen erfahren es nie, nicht einmal nach Ende der Maßnahme", erläuterte Wolff. Tatsächlich ist geplant, Paragraf 24 SPG diesbezüglich zu novellieren: Durfte bisher lediglich geortet werden, wenn Verdacht auf Suizid vorlag, so soll dies künftig auch schon bei Verdacht auf Suizidrisiko möglich sein.

Beim parlamentarischen Hearing zum Sicherheitspolizeigesetz im Dezember hatte die stellvertretende Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums, Beate Stolzlechner-Hanifle, von nur wenig bewilligten Ortungen in den vergangenen Jahren berichtet. Dennoch: Die novellierte Regelung erhöhe das Missbrauchsrisiko, betonte Wolff.

"Gängige Rechtskultur"

Es sei denn, die Regierung besinne sich "der gängigen österreichischen Rechtskultur" und ringe sich doch noch zu einer rückwirkenden Auskunftsverpflichtung der Sicherheitsbehörden durch: "So wie es zum Beispiel nach Abfragen von Finanzämtern, Notaren oder Anwälten wegen Einheitswerten von Immobilien in Grundbüchern selbstverständlich ist." Bedenklich sei auch, dass es - entgegen Berichten über eine Entschärfung - laut Novellentext künftig weiter möglich sein solle, zur Überwachung gefährlicher Gruppen oder Einzelpersonen durch den Verfassungsschutz auch Trojaner einzusetzen.

Der Beschluss der Sicherheitspolizeigesetznovelle, die unter anderem eine Ausweitung der präventiven Gefahrenerforschung von Gruppen auf Einzelpersonen vorsieht, ist am Mittwoch im Nationalrat als achter Punkt der Tagesordnung - nach Absegnung einer Reihe neuer land- und forstwirtschaftlicher Regelungen angesetzt. Gleichzeitig wollen SPÖ und ÖVP mit ihrer Regierungsmehrheit auch für das umstrittene Datenaustauschabkommen mit den USA (der Standard berichtete) votieren. Grüne, FPÖ und BZÖ haben angekündigt, gegen beide Gesetze zu stimmen.

Facebook-Ermittlungen

Wie die Wiener Wochenzeitung "Falter" am Dienstag in einer Vorabmeldung berichtete, ist es indes auch bisher laut Sicherheitspolizeigesetz schon möglich, per Facebook verdeckt zu ermitteln. Es sei zum Beispiel erlaubt, gefälschte Profile anzulegen und sich mit Verdächtigen anzufreunden, um sogenannte "kriminelle Verbindungen" und besonders schwere Straftaten abzuwehren. Strafrichter seien außerdem, ähnlich wie in Deutschland, befugt, Facebook-Accounts zu beschlagnahmen. (bri, APA, DER STANDARD, Printausgabe, 29.2.2012)