Am 15. März gedenkt Ungarn des Ausbruchs der Revolution von 1848/49, die am Ende vom Habsburger-Imperium niedergeschlagen wurde. Im Vorjahr brachte die über Facebook organisierte Protestbewegung "Milla" (Eine Million für die Pressefreiheit) am nationalen Feiertag erstmals Zehntausende Menschen auf die Straße, um ihre Ablehnung der rechtsnationalen Regierung von Viktor Orbán auszudrücken. Anfang 2011 war das restriktive Mediengesetz in Kraft getreten.

Am morgigen Donnerstag wird nicht nur die "Milla" ihre Anhänger versammeln. Auch das Orbán-Lager macht mobil. Schon Ende Jänner waren, organisiert vom Publizisten und Orbán-Freund Zsolt Bayer, mehr als 100.000 Menschen zu einem sogenannten "Friedensmarsch" aufgezogen, mit EU-feindlichen Untertönen. Dies soll nun vor dem Parlament wiederholt und möglichst überboten werden. Denn diesmal wird Orbán selbst zu den versammelten Jubelbürgern sprechen.

Für die Veranstaltung wird seit Tagen in den staatlichen Medien geworben, die unter Kontrolle von Anhängern der Regierungspartei Fidesz stehen. Es ist faktisch die offizielle Feier von "Staat und Partei". Auch mehrere tausend Gesinnungsfreunde aus Polen sollen anreisen, organisiert vom ultrarechten Wochenblatt Gazeta Polska, das Expremier Jaroslaw Kaczinsky nahesteht. Im Vorjahr hatte Orbán bei einer offiziellen Feier gesprochen. In einem von Schauspielern deklamierten Gedicht des Nationaldichters und 1848er-Revolutionärs Sándor Petöfi fehlte die Stelle über die freie Presse.

Internet-Wahl als Farce

Die "Milla" und andere Oppositionsgruppen hatten in den darauffolgenden Monaten weitere eindrucksvolle Kundgebungen gegen das Orbán-Regime organisiert, zuletzt am 2. Jänner vor der Staatsoper, wo Orbán und ein ausgewähltes Publikum die am Tag zuvor in Kraft getretene neue und umstrittene Verfassung feierten. Seitdem geht das Gegenlager durch eine Krise. Die einzelnen Gruppen finden zu keiner Kooperation zusammen, kleinliche Rivalitäten und Revierfehden machen sich breit. Die von der "Milla" veranstaltete Wahl eines "alternativen Staatspräsidenten" geriet wegen der geringen Teilnahme seitens der Internet-Sympathisanten zur Farce.

Auch auf internationale Unterstützung muss die morgige Kundgebung weitgehend verzichten. Entgegen ursprünglichen Plänen ist der prominente grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit nicht dabei.

Aber obwohl die Protestbewegung ihren Zenit vorerst überschritten haben dürfte, scheint sie die Regierung weiter nervös zu machen. Die Opposition wolle aus dem Nationalfeiertag einen "hasserfüllten Krawall" machen, meinte der Staatssekretär für Regierungskommunikation, Zoltán Kovács, zu Wochenbeginn.(DER STANDARD, 14.3.2012)