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Einbahnstraße vom Asylgerichtshof zu den Verfassungsrichtern - der Gang zum Verwaltungsgerichtshof ist aus- geschlossen.

Foto: APA/Neubauer

Wien - Seit bald vier Jahren ist der Verfassungsgerichtshof mehrheitlich mit Asylfällen konfrontiert - von der Beschwerdenzahl her betrachtet. Seit es den Asylgerichtshof (AGH) gibt, können dessen Entscheidungen nicht mehr beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) angefochten werden, also nicht mehr wegen formaler Fehler - sondern nur noch beim Verfassungsgerichtshof (VfGH), was voraussetzt, dass ein verfassungsrechtlicher Verstoß vorliegt.

Für viele Flüchtlinge ist der Verfassungsgerichtshof seit Juli 2008 daher die letzte Hoffnung, recht zu bekommen - auch wenn dort viele Causen mangels Zuständigkeit abgewiesen werden. Die Antragszahlen bilden das ab: Im Jahr 2010 - aus dem der bisher jüngste VfGH-Täigkeitsbericht stammt - standen 2911 Asylfälle 2222 anderen Fällen gegenüber. Dieses Ungleichgewicht hat sich bis heuer nicht verändert: Seit Anfang Jänner 2012 haben, so dem STANDARD vorliegende Zahlen, 667 Asylwerber und 429 andere Personen beim Verfassungsgerichtshof Klage eingereicht. Und auch die Gründe für Aufhebungen von Asylgerichtshof-Urteilen - also in welchen Fällen ein Asylwerber von den Verfassungsrichtern recht bekommt - wiederholen sich.

VfGH sieht Willkür

Meist wird bemängelt, dass der Asylgerichtshof die Asylablehnung nicht präzise genug begründet und Zusatzvorbringen nicht richtig geprüft hat. So auch in dem jüngst vom VfGH entschiedenen Fall eines Nigerianers, der im November 2009 um Asyl ersuchte. Im November 2010 wurde sein Antrag vom Asylgerichtshof abgewiesen. Einen Monat später stellte er ein neues Schutzbegehren und brachte zusätzlich vor, dass er homosexuell sei; homosexuelle Handlungen werden in Nigeria bestraft. Auch ein Schreiben seines österreichischen Lebensgefährten legte der Nigerianer vor. Doch beim Asylgerichtshof wurde ihm nicht geglaubt: Die neuen Argumente habe er zu spät vorgebracht.

Laut VfGH war das "Willkür": Der Lebensgefährte hätte als Zeuge gehört werden müssen. Sie hoben die Asylablehnung auf, der Nigerianer kann in Österreich bleiben: "Aus der Sicht verfolgter Lesben und Schwuler ist das erfreulich, denn die Rechtsprechung des Asylgerichtshofes in solchen Fällen ist uneinheitlich", kommentiert das Judith Ruderstaller von der NGO Asyl in Not. Dass nur wenige Beschwerdeführer beim VfGH eine Chance haben - und einfache Verfahrensmängel höchstgerichtlich gar nicht bekämpft werden können, kritisiert auch sie. Laut Experten wären hier dringend Änderungen nötig. (Irene Brickner, DER STANDARD, 6.4.2012)