Maria Garcia Leandro Lombardo im Interview

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Während der Linuxwochen in Wien hat der WebStandard Open-Source-Aktivistin Maria Garcia Leandro Lombardo aus Venezuela getroffen. Nach ihrer Keynote über die Migration eines gesamten Landes auf Open Source basierte Software sprach sie mit Iwona Wisniewska über die damit einhergehenden Probleme und Erfolgserlebnisse.

derStandard.at: Warum wollen Sie in Venezuela die öffentlichen Einrichtungen mit Linux und Open Source ausstatten?

Garcia Leandro Lombardo: Dafür gibt es etliche Gründe. Der wichtigste ist, dass unsere Leute unabhängig werden. Die Technologien gehören uns und der Content ebenso. Software ist ein großer und wichtiger Schritt zum Erlangen von Unabhängigkeit. Wir möchten Dinge verstehen, lernen und damit unsere eigenen Dinge schaffen. Deshalb fördern wir Talente, indem wir sie unterstützen mit Events und Schulungen. Wir helfen ihnen wo wir können. 

Weiters ist es ein Voranbringen unserer Wirtschaft. Wir haben die Möglichkeit, in diesen Sektor zu investieren und damit die Wirtschaft in unserem Land aus eigener Kraft heraus zu unterstützen.

derStandard.at: Wann haben Sie damit angefangen und wie weit ist das Projekt fortgeschritten?

Garcia Leandro Lombardo: Das Projekt, genannt Canaima, wurde vor sechs oder sieben Jahren ins Leben gerufen. Das war der Zeitpunkt, als unsere Regierung angefangen hat, sich für Technologie und Software zu interessieren. In Venezuela gibt es mittlerweile auch ein Gesetz das besagt, dass alle öffentlichen, staatlichen Einrichtungen freie und offene Software verwenden müssen.

Auch Brasilien ist ein Beispiel dafür. Länder wie Venezuela und Brasilien helfen einander bei der Umsetzung und Realisierung. Aber dennoch hat jedes Land seine eigenen Bedürfnisse und so ist auch die Software unterschiedlich. Sogar die Präsidenten der jeweiligen Länder treffen sich und unterhalten sich über Technologie. Sie sind zu dem Schluss gekommen: Je mehr Ideen und Freiheiten man hat, desto mehr kann man machen.

derStandard.at: Mit welchen Problemen werden Sie dabei hauptsächlich konfrontiert?

Garcia Leandro Lombardo: Das größte Problem ist, dass die Menschen Vergleiche anstellen. Man darf ihnen aber nicht die Chance lassen. Der Unwille zur Veränderung und die Angst vor der Veränderung sind die größten Widerstände gegen die wir ankämpfen müssen. Ein Beispiel: Wenn ich jemandem GIMP zeige, kommt die Frage: "Oh, ist das so etwas wie Photoshop?" Ich sage dann: "Sieht es aus wie Photoshop? Warum vergleichst du es dann damit?". Es geht darum, den Menschen zu zeigen, dass mit Open Source viel mehr möglich ist. 

derStandard.at: Glauben Sie, dass Venezuelas Entwicklung in Sachen Open Source ein Beispiel für den Rest der Welt sein könnte?

Es gibt einige Länder, wie Brasilien, die das ebenfalls konsequent durchführen. Ich glaube, dass es viele Länder gibt, die nachziehen werden. Es gibt auch schon Firmen, wie Microsoft, die ein eigenes Department für Open Source haben. Der Trend ist da, die Leute sind motiviert. Sie sind motiviert, um Geld zu verdienen, es zu lernen und Content zu teilen. Man muss diese Motivation ausnutzen und sie auch aktivieren.

derStandard.at: Wie sieht es in Venezuela abseits von Behörden aus? Gibt es spezielle Programme für Kinder und Jugendliche?

Garcia Leandro Lombardo: Neben Canaima gibt es das Programm für Kinder, Canaimita. In verschiedenen Studien hat man herausgefunden, dass das beste Alter für Kinder zwischen sieben und acht Jahren ist, wenn es um das Erlernen neuer Technologien geht. Deshalb haben wir einen portugiesischen Kinder-Laptop-Hersteller konsultiert. Dieser gab uns Lizenzen, damit wir dieses Notebook bei uns produzieren können. So können wir mit weniger Kostenaufwand an alle siebenjährigen Kinder Laptops verschenken. Und diesen müssen sie nicht wieder abgeben. Das heißt, in ein paar Jahren wird man keine Probleme mehr mit dem Unwillen zur Veränderung haben, denn diese Generation ist von klein auf damit konfrontiert. 

derStandard.at: Was glauben Sie denken Firmen wie Microsoft oder Apple über Ihre Bestrebungen? 

Garcia Leandro Lombardo: Microsoft hat uns sogar einmal angeboten, eine unserer Veranstaltungen zu sponsern. Natürlich wollten wir das nicht. Man merkt wie verzweifelt manche Firmen sind. Es ist klar, dass auch proprietäre Software noch lange in bestimmten Berufen und Branchen vorherrschen wird, zum Beispiel bei Grafikern, aber auch da wird es sich ändern.

derStandard.at: Würden Sie das Projekt als erfolgreich bezeichnen?

Garcia Leandro Lombardo: Lassen Sie es mich so ausdrücken: Die Ausgaben für Softwarelizenzen konnten in Venezuela in den vergangenen zehn Jahren auf 50 Prozent gesenkt werden. Unsere TV-Shows, Radio-Shows und Events zu diesen Themen sollen unseren Leuten zeigen, dass es auch Alternativen gibt und wir bereit sind, ihnen zu helfen und es ihnen beizubringen. (iw, derStandard.at, 5.5.2012)