Eriwan/Athen - Aufgeben gibt es nicht in Armenien. Lewon Ter-Petrosjan mag schon 14 Jahre aus dem Amt sein, doch der Ex-Staatschef drängt weiter zurück an die Macht. Seine Niederlage 2008 endete in Massenprotesten und mindestens zehn erschossenen Demonstranten. Am Sonntag tritt der mittlerweile 67-jährige Volkstribun wieder an, dieses Mal bei den Parlamentswahlen im kleinen Kaukasus-Staat.

Auch Wartan Oskanjan, der langjährige, international geachtete Außenminister, hat nach vier Jahren in der politischen Wüste sein Comeback arrangiert. Und in den Kulissen in Eriwan lauert weiter Robert Kotscharjan, Armeniens Präsident von 1998 bis 2008. Er hatte maßgeblich eine Partei mitinitiiert, die sich politisch kaum von den seit langem regierenden Republikanern unterscheidet. "Wohlhabendes Armenien" (BH) nennt sie sich und gruppiert jene Geschäftsleute und Politiker, die Kotscharjan nahestehen. Denn auch Kotscharjan gibt nicht auf: Nächstes Jahr sind wieder Präsidentenwahlen.

Auf das Abschneiden von BH und jenes Wahlblocks von 20 Parteien, den Ter-Petrosjan anführt, konzentriert sich die Aufmerksamkeit der politischen Beobachter. BH unter Führung des populären Ex-Ringers Giga Tsarukjan steht jetzt schon in einer Koalition mit den Republikanern (HHK) des amtierenden Staatspräsidenten Sersch Sargsjan. Legt BH zu, wird sie Veränderungen im Kabinett verlangen; Oskanjan, der für BH kandidiert, könnte wieder Außenminister werden. Gelingt Ter-Petrosjan der Einzug, wird das Klima deutlich schärfer. Das Ergebnis der Wahlen wird er wohl nicht anerkennen.

Dabei gelang Präsident Sargsjan zuletzt durchaus eine wirtschaftliche Erholung und eine gewisse Befriedung der Innenpolitik. "Er ist nicht wirklich ein populärer Führer geworden, aber er ist in die Rolle eines Vermittlers hineingewachsen", sagt Sergej Minasjan vom Kaukasus-Institut in Eriwan. (Markus Bernath /DER STANDARD, 5.5.2012)