Francois Hollande schert aus: Bislang hat sich kein anderer Staatschef so weit vorgewagt und vorgeschlagen, Kampftruppen nach Syrien zu entsenden (auch wenn er hinzufügte, dass natürlich ein Mandat des UNO-Sicherheitsrats dafür die Voraussetzung sein müsste). Bei dieser Ansage werden Erinnerungen an die Situation in Libyen vor einem Jahr wach: Die Resolution 1973 passierte den UN-Sicherheitsrat.

Innerhalb kürzester Zeit stiegen französische Kampfjets auf. AWACS-Aufklärungsflugzeuge überwachten den Luftraum schon länger. Die US Navy hatte Schiffe ins Mittelmeer verlegt, von denen 110 Tomahawk-Marschflugkörper in Richtung Libyen abgefeuert wurden. Ein solcher Marschflugkörper kostet rund 500.000 US-Dollar - da ist der Mengenrabatt schon berücksichtigt. Nach knapp zehn Tagen konnten sich die NATO-Länder einigen, wie das Militärbündnis mit der Resolution umgehen sollte. Der Nordatlantikpakt übernahm ab diesem Zeitpunkt das Kommando. Der Einsatz war erst am 31. Oktober beendet - diese kostenintensive Intervention dauerte also ein halbes Jahr.

Doch wie finanziert die NATO das? Immerhin senken die 28 NATO-Mitgliedsstaaten quer durch die Bank ihre Militärbudgets. Wie viel Geld steht der NATO also zur Verfügung? Wie hoch sind die Beiträge der Mitgliedsstaaten? Was zahlen die Länder bei Einsätzen selbst? Diese und andere Fragen zum Hintergrund der Finanzierung der NATO und ihrer Missionen sollen hier beantwortet werden.

Der Alltag der NATO beim Gipfeltreffen in Chicago vor eineinhalb Wochen. Fotos: Reuters

Wie hoch ist das Jahresbudget der NATO? 

Die NATO hat im Jahr rund zwei Milliarden Euro zu Verfügung. Damit ist das Jahresbudget niedriger als der Militäretat Österreichs, der im Jahr 2010 2,5 Milliarden Euro betrug. Damit können nicht alle Kosten gedeckt sein - allein die NATO-geführte ISAF-Mission in Afghanistan verschlingt jedes Jahr ein Vielfaches dieser Summe. (Wie sich die ISAF-Mission finanziert, wird weiter unten erklärt.)

Was macht die NATO mit ihren zwei Milliarden Euro Budget?

Mit den zwei Milliarden Euro werden Kosten im zivilen und militärischen Bereich und im Security Investment Program (NSIP) gedeckt.

In den ersten Budgetbrocken fallen alle Kosten für Personal und Verwaltung, zum Beispiel für das NATO-Hauptquartier in Brüssel. Einen eigenen Etat gibt es aber auch für Public Relations.

Das Militärbudget wiederum speist sich aus 50 Einzelbudgets. Hier enthalten sind Aufwände für den NATO-Militärausschuss, den internationalen Militärstab und die Kommandostruktur mit ihren unzähligen Standorten, die über eigene Budgets verfügen. Ein guter, detaillierter Überblick über die genaue Struktur findet sich auf der NATO-Website.

Über das NSIP-Budget unterstützt die NATO Investitionen in Einrichtungen in Mitgliedsländern, die auch für das Militärbündnis verwendet werden - zum Beispiel eine Landebahn in Estland.

Welches Land zahlt wie viel?

Die Mitgliedsländer der NATO einigen sich zuerst auf ein Budget, erst im Anschluss wird festgelegt, welches Land welchen Prozentsatz in welches der drei Unterbudgets einzahlen muss.

Die Anteile am "Cost Share Arrangement" (so nennt die NATO ihren Finanzierungsplan) der Jahre 2010 und 2011 visualisiert:

Für einzelne Investitionen finden sich auch eigene Länderbündnisse. Ein Beispiel sind die fünf Global-Hawk-Drohnen, die die NATO in den kommenden Jahren vom US-Hersteller Northrop Grumman ankaufen wird. Allein die Anschaffungskosten betragen eine Milliarde Euro, die Unterhaltskosten sollen sich in den kommenden Jahren auf rund drei Milliarden Euro summieren. Diese Kosten tragen 13 der 28 Mitgliedsländer. In diesem Fall spricht man dann zum Beispiel von einem 13/28-Haushalt.

Warum ist das Budget so niedrig?

Der Grund für das niedrige Budget liegt in der speziellen Struktur des Bündnisses: Die NATO als Institution führt lediglich die Entscheidungen der Länder aus. Das zeigt sich auch in der Finanzierungsstruktur. Das dahinterliegende Prinzip nennt sich "Costs lie where they fall". Dies ist historisch gewachsen und war auch die einzige Finanzierungsregel bei der Gründung im Jahr 1949. Jedes Land zahlt die Dinge, die es für seinen Einsatz braucht, selbst.

An diesem Prinzip hat sich bis heute nichts geändert. Es wird jedoch durch das "Over and above"-Prinzip ergänzt. Das bedeutet, dass gemeinsam jene Kosten getragen werden, die einem alleine nicht zumutbar wären. Wenn zum Beispiel ein kleines Mitgliedsland eine Landebahn für seine Luftstreitkräfte in Afghanistan errichten will, diese jedoch zu klein für andere NATO-Flieger wäre, übernimmt die NATO einen Teilbetrag der modifizierten Anschaffung.

Interaktive Visualisierung: Wie ist das Verhältnis zwischen den Ausgaben für das Militär insgesamt und die NATO im Speziellen? Per Klick auf ein Land wird dieses in den Grafiken farblich hervorgehoben. Durch Halten der Strg-Taste während der Auswahl können mehrere Länder ausgewählt und verglichen werden.

Die Zahlen sind offizielle Angaben der NATO, sie beziehen sich auf das Jahr 2011. Dollar-Beträge wurden in Euro mit dem Wechselkurs von 1,2772 (22. Mai 2012) umgerechnet.

Welchen Prozentsatz ihres Bruttoinlandsprodukts investieren die NATO-Länder in ihr Militär?

Vergleicht man die Investitionen der Länder in ihr Militär mit ihrem Bruttoinlandsprodukt, erkennt man große Unterschiede: Während die USA in der Grafik nur schwer darstellbar sind, hat Island gar keine eigene stehende Armee.

Offizielle Zahlen der NATO aus dem Jahr 2010. Militärausgaben in Prozent des BIP.

Was kostet der ISAF-Einsatz in Afghanistan?

Wie hoch die Kosten für den Einsatz der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan (ISAF) sind, lässt sich nur schwer messen - zu unterschiedlich sind die verschiedenen Budgetpunkte, die je nach Berechnung und Studie hineingenommen werden oder nicht. Wie in der "New York Times" im Vorjahr zu lesen war, kostete allein die USA das Jahr 2011 in Afghanistan rund 120 Milliarden US-Dollar. Das wäre viel im Vergleich zum Jahr 2003: Damals waren es noch 14,7 Milliarden. Kumuliert man diese Summen, kommt der Forschungsdienst des US-Kongresses auf 450 Milliarden US-Dollar, die der Krieg von 2003 bis Ende 2011 die USA gekostet hat.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat für Deutschland die Summe von 17 Milliarden Euro (2003-2011) errechnet - veranschlagt waren zu Beginn des Krieges 5,5 Milliarden Euro. In diese Berechnung wurden jedoch auch sogenannte "gesellschaftliche Kosten" - der Tod und die Verletzung deutscher Soldaten - hineingenommen.

Der Alltag der NATO in Afghanistan. Fotos: Reuters

Wie werden sich die Budgets in der Zukunft entwickeln?

Die Debatte über die Finanzierung der NATO zieht sich schon unzählige Jahre hin. Beim Gipfel in Prag im Jahr 2002 wurde bereits beschlossen, dass militärische Fähigkeiten gebündelt werden sollen, um gemeinsame Projekte gemeinsam finanzieren zu können. Richtig an Fahrt gewann die Debatte 2010: Unter dem Sparzwang der Wirtschaftskrise meinte der damals erst seit kurzem amtierende Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, dass auch bei der NATO gespart werden müsse - und zwar "am Fett, nicht an den Muskeln".

Daraus entstand das "Smart Defense"-Konzept: Die Länder sollten sich spezialisieren, um dann gemeinsame Synergien nützen zu können. Als Musterbeispiel gilt die Luftraumüberwachung. Für kleinere Länder wie Luxemburg, Island und die baltischen Staaten würde sich eine eigene Luftwaffe nie rechnen. Ihr Luftraum wird von NATO-Bündnispartnern überwacht. Im Gegenzug senden diese Länder Spezialisten in Krisengebiete. Eine gute Zusammenfassung des "Smart Defense"-Konzepts findet sich bei den Kollegen der Deutschen Welle. (Florian Gossy, derStandard.at, 30.5.2012)