Zwischen Protestsong, deutschem Schlager und Indie-Rock: der Kärntner Fuzzman alias Herwig Zamernik (39).

Foto: Heiko Bressnik

Wien - Gemeinsam mit Oliver Welter bildet Herwig Zamernik den kreativen Kern von Naked Lunch. Man muss sich diese in Klagenfurt beheimatete Band als künstlerische Vollblutmelancholiker sowie als Experten für im Pathos schwelgendes Scheitern vorstellen. Naked Lunch verbinden seit zwei Jahrzehnten souverän die Schwermut und Getragenheit der Kärntner Grenzlandchöre ("Verloss'n, verloss'n, verloss'n bin i") mit dem Leiden des in einer Indierockband beschäftigten Mannes am Übergang von jugendlicher Verzweiflung in gesetzte Altersresignation.

Ihre zentralen Alben heißen "Songs For The Exhausted" (2004) und "This Atom Heart Of Ours" (2007), beides Höhepunkte der heimischen Popgeschichte - vor allem auch aufgrund immer wieder unter die Haut gehender Live-Umsetzungen.

Weil Gott, Youtube und Piratebay nicht wollen, dass sich Musiker im 21. Jahrhundert von ihrer angestammten Kunst ernähren können, arbeiten Naked Lunch seit einigen Jahren auch als Komponisten für den Film ("Universalove") oder für das Stadttheater Klagenfurt ("Amerika").

2005 und 2008 veröffentlichte Zamernik neben seiner Produktionstätigkeit im hauseigenen Fuzzroom-Studio - etwa für Kreisky, The Staggers und andere heimische Indie-Größen - unter dem Pseudonym Fuzzman zwei locker-lässig hingeschluderte, großteils im Alleingang eingespielte Soloalben. Beide waren dem guten alten Do-it-yourself-Gedanken verpflichtet.

Die jetzt vorliegende neue CD namens "Trust Me Fuckers" führt darauf diese Tradition etwa mit dem schon seit zwei Jahren auf Youtube umgehenden Protestlied Haltet Abstand fort. Mit zwei Akkorden und einem Polkarülpser von der Blasmusik geht es darauf mit Gebrüll gegen die braungebrannten Blauen.

Allerdings sieht Zamernik sonst das Spektrum der melancholischen Indie-Ballade noch nicht ausgereizt. "The Astronaut" etwa schleppt sich eingedenk Nick Caves "The Ship Song" keyboardlastig und sehnsüchtig zitternd durch die Einsamkeit des einen unter den vielen. Auch der "Cowboy Of Love", "Oh Shut Up" und "Of Dogs & Apes" klingen heimelig lebensmüde. Hübsch auch die Chorarrangements Zamerniks im Dialog mit sich selbst.

Die eigentliche Überraschung des Fuzzman-Albums "Trust Me Fuckers" ist aber zweifellos eine Öffnung in Richtung eines Stils, der in Indiehausen auf ewig ein Sperrgebiet darstellen wird. Mit den zwei Liedern "Spiel mir das Lied von der Liebe" und "Für immer" versucht sich Fuzzman als Nachwuchskraft im deutschen Schlager. Da gibt es nichts zu deuteln: Letztgenanntes kommt als ironiefreies, waschechtes Liebesleid-Lied über einen verflossenen One-night-Stand daher ("Ich wein für immer, weil dein Herz mich nicht mehr trägt ...").

"Spiel mir das Lied von der Liebe" hingegen ist ein heimtückischer Versuch, ein trojanisches Pferd voller Anzüglichkeiten, Überdruss und schlechter Laune als Happy-Pepi-Hit im Regionalradioprogramm unterzubringen: "Sei nett zu dir selbst, Sonnenschein!" Mit als Mandoline getarnter Ukulele und einer Grabesstimme aus der Schule Bruce Lows fährt der Cowboy der Liebe mit dem Motorboot Richtung vom Himmel gefallener Sonne südlich des Wörthersees. Große Kunst von einem großen Schlawiner.   (Christian Schachinger, DER STANDARD, 13.6.2012)