John Covertino (li.) und Joey Burns (re.), das Gespann hinter Calexico.

Foto: Aubrey Edwards

Aufgenommen in New Orleans: "Algiers" (City Slang/Trost), das neue Album von Calexico erscheint am 7. September.

Cover: City Slang

Auf der Wiederveröffentlichung von "The Inner Flame - A Tribute to Rainer Ptacek" (Cargo) sind Calexico mit dem Song "Be Prepared" vertreten.

Cover: Cargo Records

Seit den 90er Jahren gehören Joey Burns und John Convertino zu den Fixgrößen der von ihrer Nähe zu Mexiko geprägten Musikszene von Tucson, Arizona. Zuerst als Mitglieder des von Howe Gelb angeführten Band-Kollektivs Giant Sand, dann als Co-Leader ihrer eigenen Band Calexico, mit der sie ihren experimentierfreudigen einstigen Arbeitgeber in kommerzieller Hinsicht überflügeln sollten. Nach der Zusammenarbeit mit prominenten Kollegen wie Willie Nelson, Roger McGuinn, Nancy Sinatra und Charlotte Gainsbourg haben Calexico nun auch wieder ein eigenes, "Algiers" betiteltes Album eingespielt, über das Joey Burns im Interview ebenso Auskunft gibt wie über die Freuden von Vinyl und die filmischen Qualitäten seiner Musik.

derStandard.at: Die Musik von Bands wie Calexico und Giant Sand wird gerne mit dem Etikett "Desert Rock" versehen. Ist das nicht verkürzend?

Burns: Es ist verkürzend, ja. Aber es ist auch ein Ausgangspunkt für die meisten Leute. Sogar mir hilft es zu identifizieren, von wo wir kommen. Und ich kann es mit dem verbinden, was wir tun. Ganz sicher gibt es regionale Elemente des Südwestens der USA, des Grenzlandes in unserer Musik. Aber es gibt viel mehr, was wir uns anhören und uns inspiriert, in Europa etwa mediterrane Musik.

derStandard.at: Worauf bezieht sich "Algiers", der Titelsong des neuen Calexico-Albums?

Burns: Der Titel kommt von einem Stadtteil in New Orleans, der gleich auf der anderen Seite des Mississippi liegt. Ein früher Siedler soll sich davon an das alte Algiers erinnert gefühlt haben. Der Titel und die Stadt waren durch die vielen Anspielungen eine Art Fenster für uns. Gerade weil es ein Instrumental ist, öffnet es den Hörern und auch uns selbst den Weg in eine andere Welt. Instrumentalstücke sind ein wesentlicher Teil unserer musikalischen Geschichte.

Zachary Spigers Video zum Song "Para" ist im Stadtteil Algiers Point in New Orleans entstanden, wo auch das neue Calexico-Album eingespielt wurde.

derStandard.at: Haben Sie eine besondere Vorliebe für die Musik von New Orleans?

Burns: Ja, sicher. Wir wollten aber kein Album aufnehmen, das nach New Orleans klingt, sondern es ist ganz einfach eine meiner Lieblingsstädte mit großartigem Essen, toller Musik, netten Leuten und guten Geschichten. Es war ein guter Zeitpunkt, um von zu Hause wegzukommen. Wir haben das Album 2011 in Tuscon, Arizona, begonnen und uns dann eine Auszeit in New Orleans genommen, nachdem wir sehr viel mit Soundtracks und Sessions für andere Musikern zu tun gehabt hatten.

derStandard.at: Ihrer Musik werden oft filmische Qualitäten zugeschrieben. Gibt es bestimmte Filme und Filmemacher, die Sie besonders schätzen?

Burns: Ich mag Filme, wie andere sie auch mögen, speziell Dokumentarfilme. Aber ich studiere Filme oder Soundtracks nicht. Ich denke, die beschreibende Qualität unserer Musik hat mir der Art der Melodien und Arrangements, der Instrumentierung und der Tatsache zu tun, dass es dann immer noch Raum für die Performances gibt. Eine wesentliche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit (Drummer) John Convertino. Es gibt keine Formel dafür, Intuition und Glück sind mit im Spiel.

derStandard.at: Sie teilen sich auch Writing Credits mit John Convertino. Wie darf man sich Ihre Zusammenarbeit vorstellen?

Burns: Wir verlassen uns aufeinander. Mit einem Drummer zu arbeiten ist ein großartiger Weg, um neues Material auszuarbeiten. Wenn wir ins Studio gehen, haben wir keine vorgefertigten Ideen. Wir schreiben und komponieren live vor Ort. Wenn wir einen guten Take zustande bringen, hören wir uns das an und schauen, was man weiter damit anfangen kann, ob man damit noch etwas machen kann oder ob es das schon war.

Ebenfalls in Algiers Point aufgenommen wurde eine Live-Akustik-Version des neuen Songs "Splitter".

derStandard.at: Wenn Sie arrangieren, fügen Sie ein Instrument nach dem anderen hinzu?

Burns: Ja, zum größten Teil. Üblicherweise fangen wir mit Gitarre und Schlagzeug an und fügen auf organische Art und Weise entsprechende Instrumente hinzu. Auf diese Art macht es Spaß. Wenn man mit einer fixen Idee oder einem Demo anfängt, denkt man oft in der Art und Weise des Demos.

Den Song "Ghost of the River" haben wir als Demo eingespielt und den Band-Mitgliedern geschickt. Dann spielten wir ihn letzten Sommer auf Tour, kamen nach Hause und nahmen ihn auf. Die Studio-Version hatte aber ganz einfach nicht das Feeling, das das ursprüngliche Demo hatte, und deswegen entschlossen wir uns, es beim Demo zu belassen. Es kommt jetzt als Outtake der Album-Sessions heraus.

derStandard.at: So gut wie alle Ihre Alben sind auf Vinyl erhältlich. Erfreuen sich Schallplatten wieder einer neuen Beliebtheit oder haben wir es nur mit einem vorübergehenden Hype zu tun?

Burns: Ich liebe Vinyl, das steht fest! Es ist großartig. Ich bin damit aufgewachsen und freue mich, dass es wieder zurückkommt, sogar noch stärker, als ich es erwartet hätte. Ich bin froh, dass es unsere Alben auf Vinyl gibt, inklusive unserer Tour-only-Alben, die als Box-Set ("Road Atlas 1998-2011", Anm.) herausgekommen sind.

Ich denke, die Leute suchen nach einem tiefergehenden Erlebnis, deswegen wenden sie sich Vinyl zu. Ich suche immer noch alte Platten auf Börsen, bei Garagenflohmärkten. Wenn ich an meine frühe Kindheit und die Platten meine Eltern denke, dann war das großartig, ein wichtiger Einfluss.

Das erste Album, das wir selbst auf Vinyl herausbrachten, war "Spoke" (1997, Anm.). Wir waren gerade auf Tour und haben das Paket in Salzburg, Linz oder Innsbruck abgeholt. Es war wunderbar, die Platte in den Händen zu halten. Sie war zum Aufklappen mit Insert und vielen Fotos, das Label hatte ein nettes Design. Solche kleinen Details gefallen mir, sie erzählen mehr von der Geschichte.

 

Wie ihre Stamm-Band Giant Sand gehören Joey Burns und John Convertino zu den Bewunderern und Weggefährten des früh verstorbenen Singer/Songwriters Rainer Ptacek.

derStandard.at: Calexico sind jetzt auch auf der Wiederveröffentlichung von "The Inner Flame", dem Tribute-Album für den 1997 verstorbenen Singer/Songwriter und Gitarristen Rainer Ptacek, vertreten.

Burns: Ich habe gerade ein E-Mail von seiner Frau Patti bekommen. Es ist traurig, dass es schon so lange her ist, dass er gestorben ist. Aber es ist großartig, dass es seine Musik da draußen noch gibt. Es gibt auch ein Album von Rainer mit John und mir, mit Percussion und Akustikbass ("Roll Back the Years", 1995, Anm.). Es hat ein schönes Cover mit einem Nachthimmel und Rainer, wie er allein Gitarre spielt. Das ist toller Stoff, er war ein großartiger Musiker! (Karl Gedlicka, derStandard.at, 4.9.2012)