Nach mehrmaligem Aufschub werden die Spanier heftiger denn je zur Ader gelassen - von ihrem Premier Mariano Rajoy. Brechen die Einnahmen weg, müssen eben Ausgaben gekürzt werden. So einfach, so kompliziert. 102 Milliarden Euro will Spaniens konservative Regierung bis 2014 einsparen. Das sind 37 Milliarden Euro mehr als zuletzt geplant. Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst und eine Sondersteuer auf Treibstoffe sollen zusätzliches Geld in die Staatskasse spülen. Doch auch die Leidensfähigkeit der Bevölkerung hat ein absehbares Ende.

Nach Lohn- und Mehrwertsteuererhöhungen sowie massiven Kürzungen bei Bildung, Gesundheit, Sozialleistungen und Arbeitslosengeld ist der Frust in Spanien riesengroß. Das Spardiktat sei der einzige Ausweg aus der Krise, wird der Premier nicht müde zu betonen - und verliert sukzessive den Rückhalt in der Bevölkerung. Sein einziges noch ungebrochenes Wahlversprechen bleibe das Letzte, das er antasten wolle, nämlich die Pensionen.

Dabei hatte Rajoy zu seinem Amtsantritt noch vollmundig verkündet, mit seinem Know-how die spanische Misere beenden zu wollen. Bisher glänzte er durch vorauseilenden Gehorsam gegenüber potenziellen Geldgebern. Über eine komplette Rettung Spaniens, die 300 Milliarden Euro kosten könnte, hat Rajoy freilich noch nicht entschieden. Vielmehr versprach er, das zu tun, was im Interesse der Spanier sei. Das klingt nach einer gefährlichen Drohung. (Jan Marot, DER STANDARD, 6.8.2012)