Warschau/Wien - Ein halbes Jahr haben sie beraten. Herausgekommen ist ein zwölfseitiges Dokument, in dem es um nichts weniger als eine handlungsfähigere Europäische Union geht. Die "Gruppe zur Zukunft Europas", elf europäische Außenminister (darunter Michael Spindelegger), präsentierte ihre Vision am späten Montagabend in Warschau.

Darin werden unter anderem ein Europäischer Währungsfonds, eine stärkere EU-Kommission, Mehrheitsbeschlüsse bei der Außen- und Sicherheitspolitik und ein reformierter Auswärtiger Dienst gefordert.

Zu der vom deutschen Außenminister initiierten Gruppe gehören die Chefdiplomaten aus Frankreich, Polen, Italien, Spanien, Portugal, Luxemburg, Dänemark, Belgien, Österreich und den Niederlanden. Tendenziell europaskeptische Amtskollegen wie etwa der Brite William Hague waren unterdessen nicht vertreten. Die wichtigsten Punkte des Positionspapiers im Detail:

  • Europäischer Währungsfonds: Der Europäische Stabilitätsmechanismus soll zu einem "Europäischen Währungsfonds mit angemessenen Befugnissen weiterentwickelt werden", heißt es in dem Papier.
  • Vertragsänderungen sollen mit "superqualifizierten Mehrheiten" aus Staaten und Bevölkerung möglich sein. Dadurch soll eine verstärkte Integration außerhalb der Verträge ermöglicht werden. Denn: "Realistisch betrachtet wird die Vertragsreform in einer Europäischen Union mit 28 oder mehr Mitgliederstaaten langfristig immer schwieriger." Auch ein neuer Europäischer Konvent müsse her.
  • EU-Kommission: Deren Präsident soll dem Papier zufolge auf mittlere Frist direkt gewählt werden. Ab der Europawahl 2014 könnten die Parteien aber schon mit europaweiten Spitzenkandidaten antreten, die jeweils auch in die Ziehung für den Kommissionschef kommen sollen.
  • Grenzschutz: Ein gemeinsamer Grenzschutz und ein gemeinsames Visum sollen kommen.
  • Außenpolitik: Mehrheitsentscheidungen sollen möglich sein.
  • Verteidigungspolitik soll ambitionierter werden, bis hin zu einer "European Army".

Außenminister Spindelegger dazu: "Jetzt liegen unsere Vorschläge auf dem Tisch. Darunter sind tiefgreifende Neuerungen, die auch Vertragsänderungen erfordern. Dieser Bericht ist unser Eisbrecher für eine substanzielle Zukunftsdebatte in Richtung Reformkonvent." Im Bundeskanzleramt wollte man am Dienstagabend noch überlegen, welche Position der Kanzler zu dem Reformpapier einehmen soll. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 19.9.2012)