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Mo Yan erhält den Nobelpreis für Literatur 2012 - und wird bei der ersten Pressekonferenz in seinem Heimatort Gaomi umlagert.

Foto: REUTERS/China Daily

Nach den in der Weltpresse verhandelten Zerwürfnissen mit dem regierungskritischen Künstler Ai Weiwei kommt der Literaturnobelpreis für Peking wie gerufen: Dort wird der Preis an Mo Yan bereits als Bestätigung einer Kulturpolitik gesehen, die sich just vor einem Jahr auf eine weltweite Offensive eingeschworen hat. Die Freude wiegt auch insofern groß, als Mo Yan der erste von China auch anerkannte chinesische Preisträger ist. Den Nobelpreisträger Gao Xingjian (2000) hat die Volksrepublik als in Frankreich lebenden Exilanten ja verschmäht.

Das war im Fall Mo Yan nicht zu erwarten. Der 1955 in der Provinz Shandong als jüngster Sohn einer traditionellen Bauernfamilie geborene Mo Yan wird von vielen als "Staatsschriftsteller" beschimpft, da er Gehalt vom Künstlerforschungsinstitut des Kulturministeriums bezieht und sich dem Staat gegenüber "treu" verhält. "Ich kann verstehen, wenn Ausländer mich kritisieren", meinte er dazu vor drei Jahren in Frankfurt, als offizielles Delegationsmitglied seines Heimatlandes.

Die Sache scheint indes komplizierter, denn Mo Yans Werk - es sind bisher neun Romane und mehr als siebzig Erzählungen - ist keineswegs stumpfe ideologische Ergebenheit anzukreiden. Die Romane des seit mehr als zwanzig Jahren mit seiner Frau und seiner Tochter in Peking lebenden Dichters arbeiten die Brutalität des letzten chinesischen Säkulums vom Boxeraufstand (Die Sandelholzstrafe) bis zur brisanten Ein-Kind-Politik (Der Frosch) in rauschhaften Zügen auf.

Die vollmundigen, vielfach mit Lebensmittelbegriffen hantierenden Titel seiner Werke mögen überdies seiner kargen, von Hunger und Kulturrevolution geprägten Kindheit auf dem Land geschuldet sein: Durchsichtiger roter Rettich, Die Knoblauchrevolte oder Das rote Kornfeld; Letzterer wurde verfilmt und erhielt bei der Berlinale 1988 den Goldenen Bären.

Mo Yan ist ein Pseudonym, das so viel wie "spricht nicht" bedeutet und das sich der studierte Sinologe mit bürgerlichem Namen Guan Moye in Erinnerung an seine Mutter zulegte. Diese hat ihn insbesondere während der Kulturrrevolution dazu ermahnt, nicht zu sehr den Mund aufzumachen. Auch darin mag man einen subversiven Akt eines Menschen sehen, der zugleich zum Partei-Establishment zählt. Mo Yan ist übrigens der am öftesten ins Deutsche übersetzte chinesische Autor. Und das wird sich jetzt nicht so schnell ändern. (Margarete Affenzeller, Johnny Erling, DER STANDARD, 12.10.2012)