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Homosexualität ist in Uganda als "abnorm" verschrien. Trotzdem wagten sich Lesben und Schwule am 4. August in Kampala zum "Uganda Gay Pride March" auf die Straße.

Foto: EPA/RACHEL ADAMS

„Restaurant Ram" und „Local Food" steht auf dem Schild, manche nennen das Lokal aber einfach die „Insel". Es liegt mitten in Downtown Kampala, Ugandas Hauptstadt, unter der Wocher wird hier Fleisch gegrillt für die Angestellten der Banken und der EU-Vertretung, die gleich gegenüber ihren Sitz hat. Am Sonntagabend bleibt das Restaurant geschlossen: Dann sperrt hier Ugandas einziger Club für Homosexuelle auf. 

Wer hierher kommt, könnte noch meinen, dass Homosexualität völlig akzeptiert ist in Uganda. Das Lokal ist nicht versteckt, es wird nicht bewacht, schon auf der Straßedavor und auf dem Parkplatz tummeln sich die Gäste. Drinnen dröhnt meist afrikanischer Rap aus den Boxen, das Publikum ist jung und bunt, die Stimmung völlig entspannt. Ein Bursche mit bunt gestreiftem Pollunder, Caprihose und roter Sonnenbrille tanzt mit seinem Freund den Rubba Dubbin, ein Tanz, der sehr deutlich aussieht wie Sex von hinten nur mit Gewand, zwei Mädchen mit Sommerkleidern und Rastazöpfen schmiegen sich romantisch aneinander. An der Bar diskutiert eine Frau in Armyhotpants und sonst nicht viel mit einem Mann, der angezogen ist wie Muamar Gadaffi. 

"Homosexuelle Propaganda"

Das Land gehörte bisher zu den liberaleren in Subsahara-Afrika, was bedeutet, das Homosexuelle nicht gelyncht, sondern nur verprügelt und verstossen wurden. Wer mutig war, der konnte sogar öffentlich darüber reden, schwul zu sein, es gibt 17 NGOs, die sich offiziell um Homosexuellenrechte kümmern Doch damit könnte es bald vorbei sein - genauso wie mit den Parties im Ram.

Am Dienstag will Ugandas Parlament über jenes Gesetz abstimmen, dass als „Kill the Gays Bill" internationale Berühmtheit erlangt hat. „Anti Homosexuality Bill" heißt es offiziell. Unter Strafe gestellt werden sollen „Homosexuelle Propaganda", Sex mit Minderjährigen und wiederholter homosexueller Sex unter Erwachsenen, in einer ursprünglichen Version war für besonders schwere Fälle die Todesstrafe vorgesehen. Nach internationalen Protesten wurde es entschärft, nun ist dafür lebenslange Haft vorgesehen. Seit 2009 wurde das Gesetz bereits zwei Mal zur Abstimmung vorgelegt und abgelehnt - diesmal aber sieht es so aus, als würde es beschlossen werden.

Noch um die Jahrhundertwende hatte Uganda einen offen schwulen König, seither haben vor allem fundamental-christliche Gruppen und afrikanische Rassisten daran gearbeitet, Homosexualität als „unafrikanisch" und abnormal zu diskreditieren: Die Kolonialherren hätten sie importiert, um die afrikanische Kultur zu untergraben, zudem würde sie die Ehe, diese heilige Lebensform, zerstören. Mit Geld aus den USA würden Schwule junge Buben verführen und ebenfalls zu Schwulen machen, es werden Schauermärchen erzählt von brutalen Vergewaltigungen an Schulen.
„Die warten alle nur darauf, dass sie eine Rechtfertigung haben, uns zu erschlagen", sagt Frank Mugisha, 30, Chef von Sexual Minorities Uganda (Smug) und der bekannteste Schwulenaktivist des Landes. Er geht nicht oft auf die Straße, niemals allein, zu oft ist er bereits verprügelt worden. Auch Abends bleibt er meist zu Hause - nur Sonntags kommt auch er ins Ram. „Es wäre eine Katastrophe, wenn die Behörden es zusperren", sagt er.

Verfassungsklage

Gemeinsam mit anderen Aktivisten hat Mugisha bereits eine Verfassungsklage vorbereitet, sollte das Antihomosexuality Bill beschlossen werden. So lange die Klage nicht entschieden ist, hätte es keine rechtskraft. Weil es kaum Verfassungsrichter gibt, könnte das Jahre dauern. „Vielen Leuten wäre das aber egal", sagt er, „in Uganda greift man gern zur Selbstjustiz."

Laut Umfragen sind bis zu 90 Prozent der Ugander dafür, Homosexualität unter Strafe zu stellen, sämtliche Kirchen des Landes, auch die katholische, sind ebenfalls dafür. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das durchbekommen", sagt auch David Bahati zum Standard. Bahati ist Abgeordneter der Regierungspartei NRM von Ugandas Präsident Yaweri Museveni und jener Parlamentarier, der den „Kill the Gay Bill" 2009 erstmals eingebracht hat. Sollte es durchgehen, hofft er, zahlreiche neue Zentren zur Behandlung und Heilung Homosexueller eröffnen zu können. „Wir müssen die rasende Verbreitung und agressive Propaganda der Homosexuellen stoppen", sagt er. „Es geht um den Schutz unserer Kinder, der Familie und darum, das christliche Gesetz zu stärken."
Mugisha hat von der US-Botschaft ein Dauervisum bekommen, um im Notfall schnell ausreisen zu können, auch viele anderen Aktivisten haben so etwas in ihrem Pass. Sein Freund ist vor kurzem in die USA gereist, er hatte seinen Job verloren und war bedroht worden, weil seine Familie ihn öffentlich geoutet hatte. Mugisha hofft, dass er bald zurück kommen kann, folgen will er ihm aber nicht. Kaum einer der Gäste im Ram würde ausreisen, selbst, wenn sie Asyl bekommen würden. „Dort, wo ich wohne, das ist mein Haus", sagt einer. „Aber das Ram, das ist mein zu Hause."

Heterosexuelle Ugander nutzen den Schwulenhass hingegen immer wieder aus, sagen die Smug-Aktivisten: Sie geben sich als Homosexuelle aus, um so leichter Asyl in Europa zu bekommen.  (Tobias Müller, DER STANDARD/Langfassung, 20.11.2012)